Marianne Auer: Wirtin mit Herz und Power
Marianne Auer: Wirtin mit Herz und Power
Das «Café Wiler» in Spiezwiler ist – von aussen gesehen – ein unscheinbares, schlichtes Restaurant. Solche Lokale gibt es viele am Thunersee, denkt man. Was die Wirtin und Inhaberin des Lokals, Marianne Auer (55), hier in 18 Jahren bewegt hat, ist jedoch nichts anderes als eine kleine Oberländer Erfolgsgeschichte.
Text und Fotos: Hans R. Amrein
Parkplätze. Autos. Dahinter ein unscheinbares Mehrfamilienhaus, Stil 80er-Jahre. Nichts Spektakuläres, kein architektonisches Wunderwerk. Auf der Fassade steht: «Café Restaurant Wiler». Und sonst? Was ist das Besondere an dem Café im etwas abseits gelegenen Spiezwiler? Die Vorhänge? Die Tische und Stühle aus hellem Massivholz? Die etwas kitschig anmutenden Wanddekorationen aus Holz? Die in Folie verpackten Erdnüsse im Snack-Körbchen? Findet man in fast jedem Gasthof zwischen Meiringen und Allmendingen.
Das Besondere im Café Wiler ist die Wirtin. Denn Marianne Auer ist eine Vollblut-Gastronomin, die mit Herzblut, Leidenschaft und Power ihre «Beiz» führt. 14 bis 15 Stunden täglich arbeitet sie in ihrem Restaurant in Spiezwiler – an sechs Tagen pro Woche. Sie kümmert sich um fast alles im Café: Service, Küche, Gästebetreuung, Buchhaltung, Bestellungen, Reparaturen. Wir sitzen am grossen Tisch bei einer Tasse Kaffee und sprechen über ihr Leben und ihr Café Wiler.
Marianne Auer ist eine Gastronomin, die mit Herzblut, Leidenschaft und Power ihre «Beiz» führt.
Marianne Auer, wie sind Sie eigentlich nach Spiezwiler gekommen?
Ich führte vorher in Zwieselberg ein Restaurant. Dann arbeitete ich eine Zeit lang nicht mehr in der Gastronomie, sondern in einem Altersheim. Eines Tages entdeckte ich in der Zeitung ein Inserat. Das Lokal in Spiezwiler wurde zum Kauf angeboten. Ich schickte meine Bewerbung ab – und wenige Tage später unterschrieb ich den Vertrag. So begann das mit dem Café Wiler in Spiezwiler…
Ihr Restaurant läuft wie verrückt, mittags und abends sind oft alle Plätze besetzt. Haben Sie so etwas wie ein Erfolgsgeheimnis?
Ja, das Restaurant läuft in der Tat sehr gut, ich bin zufrieden. Mein Erfolgsrezept? Gute Frage! Nun, wir geben uns Mühe, gehen auf die Gäste ein, sind stets für sie da …
Mit anderen Worten: Sie verdienen mit dem Restaurant in Spiezwiler gutes Geld…
Was heisst schon gutes Geld? Ja, wir können davon leben, aber reich sind wir deswegen noch lange nicht!
Andere Wirtinnen und Wirte am Thunersee wären glücklich, wenn ihr Lokal so gut laufen würde. Für sie ist die Gastronomie ein täglicher Überlebenskampf.
Ich kann das verstehen, denn die Gastronomie ist ein hartes Geschäft. Die Gewinne sind eher bescheiden.
Sie stehen, wie Sie mir vorhin gesagt haben, etwa 14 bis 15 Stunden täglich im Restaurant.
Ja, schon, aber ich mache auch Ferien!
Apropos Ferien: Wer führt dann das Restaurant?
Meine zum Teil langjährigen Mitarbeiterinnen sind ohne weiteres in der Lage, das Restaurant auch ohne meine Präsenz zu führen.
Nochmals: Wie lautet Ihr Erfolgsrezept? Warum ist Ihre «Beiz» stets voll?
Einer der Gründe ist zweifellos mein Team. Ich glaube, es sind verschiedene Dinge, die am Ende zum Erfolg führen: die Lage des Restaurants direkt an der Hauptstrasse, die vielen Parkplätze vor dem Haus, unsere bürgerliche, schmackhafte und ehrliche Küche, der persönliche Service, die Betreuung der Gäste … Aber wissen Sie, was das Wichtigste ist?
Sagen Sie es mir.
Erstens: Man muss die Menschen mögen. Zweitens: Man muss den Menschen dienen. Wirte, die sich nicht um ihre Gäste kümmern, werden früher oder später scheitern.
Wir bieten unseren Gästen eine gutbürgerliche Küche mit vielen bekannten Gerichten und saisonalen Spezialitäten.
Sie tragen das sogenannte Service-Gen in Ihrer Brust. Das, was Sie tun, tun Sie mit Herzblut.
Ja, man kann das so sagen. Und genau das führt ja auch dazu, dass wir hier 80 bis 90 Prozent Stammgäste haben. Viele kommen jeden Tag. Einige kommen sogar aus Thun.
Das Café Wiler ist ein typischer Quartiertreffpunkt.
Ja, aber nicht nur. Am Mittag essen hier viele Arbeiter. Da verkaufen wir jeden Tag zwischen 60 und 80 Menüs. Und am Abend haben wir oft Bankette – oder Vereinsanlässe. Die Schützen und die Turner sind treue Gäste bei uns.
Stehen Sie selber in der Küche?
Oh nein! Das ginge nicht. In der Küche arbeiten drei Köche. Im Service arbeitet eine Kellnerin zu 90 Prozent, die restlichen Mitarbeitenden sind Aushilfen. Total arbeiten im Service fünf Leute.
Wie sieht denn Ihre Speisekarte aus?
(lacht) Schön! Im Ernst: Wir bieten unseren Gästen eine gutbürgerliche Küche mit vielen bekannten Gerichten und saisonalen Spezialitäten. Die Karte wird nach den vier Jahreszeiten gewechselt. Am Mittag verkaufen wir vor allem das Mittagsmenü für 17 Franken. Heute gab es zum Beispiel ein Schweinesteak mit Kartoffelgratin und Gemüse, dazu Salat.
Und das für nur 17 Franken. Rechnet sich das?
Es gibt natürlich nicht jeden Tag Schweinesteak, sondern auch mal Spaghetti oder Fleischkäse.
Was ist Ihre Hausspezialität? Was mögen die Gäste besonders?
Das «Wiler-Entrecote» für 36 Franken. Es wird aufgeschnitten und auf einer Kräuterschaumsauce serviert. Dazu gibt es einen Salat in der Schüssel.
Weitere Spezialitäten?
Unsere Käseschnitten. Wir bieten den Gästen etwa sieben oder acht Varianten an. Mit und ohne Ei, mit und ohne Zwiebeln, mit Tomaten…
Welche Weine verkaufen Sie besonders gut?
Es sind vor allem die bekannten Klassiker aus der Schweiz und Italien, wobei ich persönlich die Weine aus dem Wallis liebe.
Es gibt ja auch Spiezer Wein…
Ja, aber den verkaufen wir hier selten. Den haben die Leute im privaten Keller.
Welche Weine werden bei Ihnen am meisten getrunken?
Bei den Rotweinen sind es Primitivo und Dole. Wir verkaufen vor allem offene Weine.
Dort drüben am Tisch sitzen vier ältere Männer und jassen. Ist Ihr Restaurant auch ein Treffpunkt der Jasser?
Ja, am Nachmittag wird hier sehr oft gejasst. Es sind vor allem pensionierte Männer, die hier den ganzen Nachmittag jassen. Zu unserem treuen Kundenkreis gehören auch die Vereine, zum Beispiel der Männerturnverein Spiez. Die Turner halten hier auch ihre Hauptversammlung ab oder das Jahresendessen.
Veranstalten Sie in den Wintermonaten auch Lotto-Anlässe?
Nein. Da wir am Samstagnachmittag und Sonntag geschlossen haben, könnten wir Lotto-Anlässe gar nicht durchführen.
Haben Sie neue Ideen oder gar Projekte für Ihr Café Wiler?
Nein. Ich mache mir höchstens Gedanken über meine Nachfolge. Schauen Sie, ich bin jetzt seit mehr als 25 Jahren Wirtin. Eine lange Zeit!
Sie sind ja noch jung…
Es nicht einfach, in der Gastronomie eine gute und nachhaltige Lösung zu finden. Wir haben den Betrieb jetzt mal ausgeschrieben – jetzt schauen wir, wer sich meldet.
Sie sind mit Leib und Seele Wirtin und arbeiten 14 bis 15 Stunden täglich. Können Sie sich denn ein Leben ohne eigene «Beiz» überhaupt vorstellen?
Ja, sehr gut sogar! Ich habe viele Interessen – neben der Gastronomie. Reisen, Wandern in den Bergen, Skifahren…
Man sagt, Sie seien eine hervorragende Skifahrerin.
Ich fahre leidenschaftlich gerne Ski. Als gebürtige Adelbodnerin hat man das Skifahren wahrscheinlich im Blut.
Schlussfrage: Welche Tipps würden Sie einem jungen Menschen mit auf den Weg geben, wenn er später mal ein eigenes Restaurant betreiben will?
Ich wiederhole mich: Man muss die Menschen mögen. Man muss für die Gäste da sein und ihnen dienen. Dienen ist etwas Wunderschönes! Es geht darum, den Menschen Freude zu bereiten. Zweitens: Man muss hart arbeiten, um Erfolg zu haben. Die Arbeit darf nicht einfach eine lästige Pflicht sein. Drittens: Man muss Geduld haben, denn der Erfolg lässt oft lange auf sich warten. Viertens: Man muss sich für ein Konzept entscheiden und dieses dann konstant durchziehen. Konstanz ist ganz wichtig. Man sollte seinen Ideen stets treu bleiben.
Marianne Auer, vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.
Kontakt
Restaurant Café Wiler
Gygerweg 18, 3700 Spiez
Tel. 033 650 12 60
www.restaurantwiler.ch
Anreise mit dem Auto:
Ab Autobahn A8, Ausfahrt Spiez, Richtung Spiezwiler/Simmental, ca. 250 Meter danach findet man das Restaurant Wiler auf der rechten Seite.
Anreise mit dem öffentlichen Verkehr:
Ab Bahnhof Spiez verkehrt ein Bus nach Spiezwiler zur Haltestation «Schulhaus», danach kurzer Spaziergang Richtung Simmental, ca. 120 Meter danach findet man das Restaurant Wiler auf der rechten Seite.