Carlotta Stirnemann: Yoga am Thunersee
Carlotta Stirnemann: Yoga am Thunersee
Die uralte indische Tradition ist seit längerer Zeit auch in der westlichen Welt auf dem Vormarsch. Immer mehr Menschen schätzen die positive Wirkung, die Yoga auf ihre Gesundheit und ihren Alltag haben kann. Seit mehreren Jahren betreibt Carlotta Stirnemann in Gwatt ein Yogastudio, in dem sie den Leuten diese wohltuende Praxis vermittelt.
Text & Fotos: Julia Sommer
Carlotta Stirnemann ist bereits seit mehreren Jahren Yogalehrerin am Moosweg in Gwatt. Mit Herz und Seele geht sie ihrer Tätigkeit nach und begleitet ihre Schülerinnen und Schüler. Im Gespräch erzählt sie vom Stellenwert von Yoga im Alltag, von den Möglichkeiten, die sich durch Yoga eröffnen und auch darüber, was Yoga mit der Thunersee-Region zu tun hat.
Frau Stirnemann, wir beginnen am besten ganz am Anfang: Wie kamen Sie mit Yoga in Kontakt?
Meinen ersten Kontakt mit der spirituellen Lehre Indiens hatte ich bereits relativ früh. Ein Freund schenkte mir ein Buch, einen Bericht über eine Reise durch Indien. Ich war total fasziniert und wollte dieses spirituelle und philosophische Indien kennenlernen. Anderthalb Jahre reiste ich daraufhin mit meinem Mann durch Südostasien und Indien, ohne jedoch einen Lehrer zu finden, der dem entsprach, was ich mir aus meiner Lektüre erhofft hatte. Ein indischer Offizier, der jedes Jahr zu seinem Guru reiste, riet mir, besser zu Hause nach einem Lehrer zu suchen.
Zurück in der Schweiz nahm mich eine Freundin in eine Yogastunde zu Selvarajan Yesudian mit. Zuerst dachte ich, das sei nichts für mich. Nachdem mir die Stunde allerdings nicht mehr aus dem Kopf ging und ich wiederholt davon träumte, beschloss ich, den Unterricht von Yesudian regelmässig zu besuchen.
Daraufhin begann ich täglich zu praktizieren. Schon bald merkte ich die positiven Auswirkungen, die das Yoga und die Meditation auf meinen Allgemeinzustand hatten: Ich war viel ausgeglichener und meine Migräne verschwand mehr und mehr.
Langsam wurde mir bewusst, welche Kraft im Yoga steckt: Es eröffnete mir den Zugang zu mir selbst, zu meinem Innersten und zu einem Potenzial, von dem ich bis dahin nichts wusste.
Wie sind Sie dazu gekommen, selbst zu unterrichten und ein eigenes Studio zu gründen?
Mein Lehrer Selvarajan Yesudian beeindruckte mich immer sehr: Er konzentrierte sich stets auf den menschlichen Kern und drückte uns keine Dogmen auf – er war ein strenger, aber sehr guter Lehrer. Als er aufhörte zu unterrichten, fragten mich immer wieder Leute, ob ich nicht selbst unterrichten wolle. So fing ich mit einem kleinen Grüppchen von drei Personen an. Es kamen allerdings immer mehr Leute dazu. Deshalb liess ich mich während dreieinhalb Jahren zur diplomierten Yogalehrerin ausbilden.
uerst war ich nebenberuflich als Yogalehrerin tätig, hauptberuflich führte ich mit meinem Mann ein Modegeschäft. Immer mehr merkte ich aber, dass das Yoga meine eigentliche Herzensangelegenheit ist. Wir beschlossen daraufhin, das Geschäft aufzugeben. Ich war von da an ausschliesslich als Yogalehrerin tätig. Mein Mann liess sich umschulen und seitdem haben wir auch schon zusammen Kurse angeboten.
Was möchten Sie Ihren Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmern mitgeben?
as möchten Sie mit ihren Yogastunden erreichen?
Ich möchte meine Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor allem mit einem guten Gefühl nach Hause entlassen. Yoga ist eine tolle Möglichkeit, um zufriedener mit sich selbst zu werden und einen Ausgleich zu finden. Oft entdeckt man im Yoga aber auch ein Potenzial, von dem man nicht wusste, dass es in einem schlummert – das finde ich immer sehr beeindruckend.
Zudem möchte ich für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen Raum der Geborgenheit schaffen, an dem man sich wohlfühlt und an dem man zu sich selbst finden, sich selbst spüren kann – das geht in unserer schnelllebigen Welt leider oft etwas verloren.
Was kann Yoga bei den Praktizierenden bewirken?
Yoga arbeitet stark mit dem Drüsensystem. Das heisst, dass durch das Praktizieren von Yoga Hormone freigesetzt werden, zum Beispiel Glückshormone. Das funktioniert bei anderen Sportarten ganz ähnlich. Es geht beim Yoga aber auch stark um das Zusammenspiel zwischen Körper und Geist. Es geht um Beweglichkeit und Bewegungen, aber auch um den inneren Kern des Menschen. Ziel des Yogas ist es, Blockaden zu lösen – so können auch verschiedene Probleme, ob körperlich oder nicht, angegangen werden.
Yoga ist eine tolle Möglichkeit, um zufriedener mit sich selbst zu werden und einen Ausgleich zu finden.
Das heisst, Yoga kann uns auch durch schwierige Zeiten helfen. Wie das?
Yoga funktioniert wie eine Art Surfbrett, mit dem wir durch die Wellen steuern. Wenn die Wellen des Lebens stärker und kräftiger werden, können wir uns mit Yoga über Wasser halten – es bietet uns eine Möglichkeit zu relativieren und ausgeglichen zu bleiben.
Yoga kann uns aber auch dabei helfen, glückliche Augenblicke als solche wahrzunehmen und den Moment an sich zu schätzen. Viel zu oft sind wir mit unseren Gedanken schon in der Zukunft und befassen uns nicht mit dem Jetzt. Unsere Wahrnehmung wird durch Yoga geschärft und zum Positiven verändert.
Welche Leute nehmen an ihren Yogastunden teil, wen sprechen Sie an?
Mir ist es wichtig, dass wir für möglichst alle ein passendes Angebot bieten können. Dazu arbeite ich nicht alleine: Meine Kollegin bietet das sportliche Pilates und Power Yoga an. Ich selbst biete Yogakurse in verschiedenen Schwierigkeitsstufen an: Es gibt sanftere Kurse und Kurse für Fortgeschrittene.
Ein besonderes Anliegen ist mir das Yoga für die Frau. Dort machen wir gezielt Übungen für den Hormonhaushalt. Das kann zum Beispiel in den Wechseljahren sehr wohltuend sein. Durch die speziellen Übungen soll jede Teilnehmerin ihre weibliche Energie entfalten können.
Dementsprechend habe ich auch keine eigentliche Zielgruppe – ich habe sehr gemischte Gruppen, was mir viel Freude bereitet. Meine Stunden gestalte ich humorvoll und offen. Ich will keine Dogmen errichten, sondern im Gegenteil offen sein für Neues.
Deshalb freut es mich auch, dass ich kaum Werbung machen muss. Leute, die meine Stunden besuchen, empfehlen mich weiter oder bringen neue Leute mit.
Yoga kommt ursprünglich aus einer nichtchristlichen Kultur. Welche Rolle spielt die Religion, beziehungsweise die Spiritualität im Yoga?
Spiritualität und Religion sind nicht dasselbe. Für das Yoga spielt Religion keine Rolle, Spiritualität allerdings schon. Spiritualität ist unabhängig von der Religion und steht in keinem Widerspruch zu ihr. Aber sie kann die Religion beeinflussen: So kann durch Yoga aus einem Christen ein besserer Christ werden, aus einem Hindu ein besserer Hindu und aus einem Buddhist ein besserer Buddhist.
Im Yoga geht es stark darum, die eigene Spiritualität zu erforschen und damit auch das eigene Ich. So kann man seinem Kern immer näher kommen. Das ist auch anstrengend und fordert besonders in der Meditation Disziplin.
Wie passt diese indische Tradition in die Thunersee-Region?
Obwohl Yoga einem vollkommen anderen kulturellen Kontext entspringt, passt es sehr gut in die Thunersee-Region. Verschiedene spirituelle Führer (wie zum Beispiel der Dalai Lama) haben sich sogar hier in der Region aufgehalten. Dem westlichen Menschen fehlt es oft etwas an Spiritualität und Offenheit. Aber diese Selbsterfahrung lässt sich in der Thunersee-Region gut machen.
Zur Person
Nach einer 18-monatigen Asienreise besuchte Carlotta Stirnemann im Jahr 1981 zum ersten Mal Yogalektionen. Sofort war sie davon begeistert: Kein Konkurrenzkampf, kein falscher Ehrgeiz, keine Wertung. Sie begann täglich zu praktizieren und spürte schon bald den positiven Effekt, den Yoga auf ihr Wohlbefinden und ihre Gesundheit hatte. Nachdem sie 2006 die dreieinhalbjährige Ausbildung zur diplomierten Yogalehrerin abgeschlossen hatte, gründete sie ihr eigenes Yogastudio am Moosweg in Gwatt und war in der Yogalehrerausbildung tätig. Heute arbeitet sie als Yogalehrerin und organisiert gemeinsam mit anderen Lehrerinnen und Lehrern Seminare.