Doris Mora: Ein neues Leben in Achtsamkeit
Es sieht unscheinbar aus, das kleine gelbe Containerhaus an der Gwattstrasse, gleich gegenüber dem Strandbad. Doch hinter der Fassade im oberen Stock finden die verschiedensten Anlässe und Kurse statt. So auch die Pilates in Achtsamkeit Kurse von Doris Mora. Was Pilates in Achtsamkeit bedeutet und wie ihr während einer Motorradtour in Vietnam klar wurde, dass sie ihr Leben radikal ändern muss, erzählt Doris Mora im Interview.
Text: Laura Scheidegger | Fotos: zvg
Doris Moras Lebenslauf liest sich eindrücklich, besonders wenn man bedenkt, dass sie erst Mitte Dreissig ist. Sie hat einen Master in Psychologie und war Geschäftsführerin des Vereins «Das Beste der Region». Doch dieses Leben voller Abschlüsse und Stufen auf der Karriereleiter liegt mittlerweile weit hinter ihr. «Wenn ich mir heute überlege, was ich früher alles in einem Tag gemacht habe! Heute mache ich vielleicht in einer Woche so viel!», erzählt sie schmunzelnd und schaut sich zufrieden in ihrem gemütlich eingerichteten Pilates-Studio um.
Kein Platz für Zweifel
Wenn Doris Mora über ihre Ausbildung und ihre frühere Karriere spricht, bringt sie auf den Punkt, was viele von uns sicherlich auch schon gespürt haben. «Ich wurde schon früh immer wieder gefragt, was ich einmal werden will, doch ich wusste es nicht», erzählt sie. Dies habe einen ungeheuren Druck in ihr aufgebaut. Sie entschied sich, Psychologie zu studieren, da sie der Mensch und das Zwischenmenschliche interessierte. Als sie merkte, dass das Studium nicht das Richtige für sie war, machte sie trotzdem weiter. «Ich wollte mich dieser Frage nach meinem Ziel nicht schon wieder stellen! Und ich habe mir auch immer gesagt, dass ich fertig mache, was ich anfange.» So schloss sie ihr Studium ab, war Marketing- und Kommunikationsfachfrau und wurde schliesslich Teil der Geschäftsleitung bei «Das Beste der Region». Eine Karriere wie aus dem Bilderbuch. Doch Doris Mora ging es zusehends schlechter, sie arbeitete zu viel und definierte sich nur noch über gute Leistungen. Durch ihr Wissen im Bereich der Arbeits- und Personalpsychologie bemerkte sie zwar, dass ihre Lage langsam prekär wurde, liess diese Gedanken jedoch nicht zu. «In gewissem Masse war es wie ein Selbststudium, denn mein Schwerpunkt in der Ausbildung waren die Themen Stress und Burn-out», bilanziert sie heute. «Doch ich versuchte stets, mich so beschäftigt wie möglich zu halten, damit erst gar kein Platz für Zweifel oder die Frage nach dem ganzen Sinn an meiner Arbeit in meinem Kopf entstehen konnte.»
Selbständigkeit? Unmöglich…
So beschloss sie, eine Auszeit zu nehmen und kündigte nach der Rückkehr in die Schweiz ihre Anstellung. Diese 180-Grad- Wendung war zwar alles andere als einfach, doch Doris Mora nutzte die Zeit, um verschiedene Dinge auszuprobieren und zu sehen, was ihr wirklich Freude bereitet. Ihr war Bewegung schon immer sehr wichtig, so fand sie schliesslich zum Pilates. Sie mietete sich in einem Studio ein, um Lektionen anzubieten. Jedoch bemerkte sie bald einmal, dass die Mietsituation nicht optimal war, da sie ihre Stunden nicht geben konnte, wann sie wollte. Plötzlich keimte der Gedanke in ihr auf, sich selbstständig zu machen. «Etwas, was ich zuvor noch nie in Erwägung gezogen hatte. Ich dachte immer, dass es unmöglich wäre, mich selbstständig zu machen», erinnert sich Doris Mora. Doch ihre Intuition und ihr Herz sagten ihr, dass die Zeit für diesen Schritt gekommen sei. «Immer öfters dürfen wir den Verstand ignorieren und auf das Herz hören, in solchen Momenten weiss man dann einfach, dass eine Entscheidung richtig ist. Ein bisschen Angst ist dabei ganz normal.»
Nie mehr ein Businessplan!
Im Anschluss an den Entscheid zur Selbstständigkeit hat sich Doris Mora verschiedene Studios angesehen. Auch hier hatte sie sich auf ihr Bauchgefühl, ihre Intuition verlassen. Bei einem Studio musste mit der Bewerbung auch ein Businessplan eingereicht werden, da war Doris Mora klar, dass das nichts werden würde: «Ich habe mir bei meiner Kündigung geschworen, dass ich nie wieder einen Businessplan schreiben werde!» Die dritte Besichtigung war das Studio an der Gwattstrasse, welches ihr auf Anhieb zusagte. Dann ging alles richtig schnell, wie sich Doris Mora erinnert. «Ich habe mir das Studio Anfang März angesehen, im April gab ich bereits meine erste Klasse.» In dieser Anfangszeit hatte sie sechs oder sieben Schüler, nicht genug um die Kosten zu decken. «Aber wie ich mir vorgenommen hatte, wollte ich auf keinen Fall ein Businesskonzept aufstellen. Ich wusste nur, dass mein Ertrag irgendwann meinen Aufwand decken sollte.»
Pilates in Achtsamkeit
Seither bietet Doris Mora über die Woche verteilt Pilates Kurse in Achtsamkeit an. Im Gegensatz zum herkömmlichen Pilates, das mittlerweile oft recht kompetitiv und auf Leistung ausgelegt ist, geht es bei Pilates in Achtsamkeit darum, sich und den eigenen Körper wieder bewusst spüren zu können. «Ich versuche immer wieder, Tempo aus den Übungen zu nehmen und in eine Lektion nur so viel zu packen, wie auch natürlich darin Platz hat.» Muskelaufbau und mehr Beweglichkeit sind dabei ein ganz natürlicher Nebeneffekt. Am Anfang sei sie noch stark nach Lehrbuch vorgegangen, erzählt Doris Mora, doch mit der Zeit habe sie begonnen, ihre Lektionen spontan zu gestalten und baue nun einfach das ein, was sich im Moment richtig anfühle. Im Sommer finden bei sonnigem Wetter zusätzlich ein- bis zweimal pro Woche Pilates Lektionen am See im Schadaupark statt.
Neben Pilates-Klassen bietet Doris Mora in ihrem Studio auch Inspirationsvorträge und sogenannte Herzgespräche an, in denen sie Menschen begleitet. Zudem stellt sie interessierten Menschen ihr Studio bedingungslos für ihr Wirken und Tun zur Verfügung. «Dieses Miteinander statt Gegeneinander liegt mir unglaublich am Herzen», betont Doris Mora. «Ein wahrhaftiges Miteinander entspringt aus der Fülle, wo alle ihr Sein und ihre Einzigartigkeit leben und wir nicht mehr in einem Konkurrenzkampf miteinander sind, sondern uns gegenseitig inspirieren und unterstützen.»
Glücklich auch ohne Diplome
Natürlich bildet sich Doris Mora für ihre Pilates Kurse auch regelmässig weiter. Jedoch legt sie dabei keinen Wert mehr auf Prüfungen und Zertifikate. «Diplome und Abschlüsse habe ich bereits genug», meint sie lächelnd. Wenn sie sehe, wie gestresst die anderen Kursteilnehmer sind, weil sie wissen, dass sie am Ende der Weiterbildung eine Prüfung ablegen müssen, erinnere sie dies stark an ihr altes Leben. «Die Wissensvermittlung im Studium lief nach dem Motto, sich möglichst viel Wissen in kurzer Zeit anzueignen und dieses dann auf Abruf wieder auszuspucken», erinnert sie sich. «Ich habe immer ein gutes Gedächtnis und eine gute Menschenkenntnis gehabt, darum war ich im Studium und in der Arbeitswelt auch so erfolgreich.» Heute will sie sich in ihrem Leben keinen Stress mehr machen, sondern folgt ihrer Neugier und Begeisterung, recherchiert und fragt einfach nach, wenn sie das Bedürfnis hat, über ein Thema mehr zu wissen.
Nach diesem Prinzip lebt Doris Mora heute jeden Aspekt ihres Lebens. «Seit ich Menschen als Mensch auf Augenhöhe begegne, muss ich mit niemandem mehr diskutieren und keinen Streit mehr schlichten. Ich kann einfach machen auf was ich Lust habe und wenn ich etwas nicht mehr machen will, dann höre ich auf damit oder mache eine Pause.» Auch das Reisen, eine von Doris Moras grossen Leidenschaften, erlebt sie heute ganz anders. Früher sei es ein klarer Kontrast zu ihrer stressigen Karriere gewesen, heute erlebe sie keinen wirklichen Unterschied mehr zwischen Arbeit, Freizeit und Urlaub. «Manchmal kommen mir immer noch Tränen, wenn ich darüber nachdenke, wie gut es mir geht und wie glücklich und frei ich bin», sagt sie über ihren Entscheid für ein neues Leben. «Ich hätte nie geglaubt, dass dies möglich wäre und würde es heute ehrlich gesagt auch immer noch nicht glauben, wäre es mir nicht selber passiert.»
Heute erlebt sie keinen wirklichen Unterschied mehr zwischen Arbeit, Freizeit und Urlaub.
Kontakt
Doris Mora Garro
Gwattstrasse 2b, 3604 Thun
Telefon 079 796 61 94
E-Mail: doris@gelingen.ch
Blog: https://dorismora.com