
Niklaus Zenger: «Wir machen das, was andere nicht wollen oder können.»
Niklaus Zenger: «Wir machen das, was andere nicht wollen oder können.»
Können Sie sich vorstellen, in steilstem Gelände mit einem Bagger zu arbeiten? Im Wald oder im Felsen, wo Sie zuerst alles abstützen und absichern müssen, damit Sie mit dem Gerät später keinen Salto mortale vorführen? Schwer vorstellbar, nicht wahr? Für Niklaus Zenger und seine Spezialisten Alltag.
Text: Thomas Bornhauser | Fotos: Thomas Bornhauser, Annette Weber, Theodor Weber, zvg
Als ich ihm gegenübersitze, glaube ich mich ins Jahr 1972 zurückversetzt: Niklaus «Chlöisel» Zenger könnte von seinem Aussehen her der Zwillingsbruder vom jungen Roland Collombin sein, diesem eigenwilligen, aber erfolgreichen Walliser Skifahrer. Und je länger ich mit ihm spreche, umso mehr verstärkt sich dieses Gefühl. Auch «Chlöisel» weiss genau, was er will, lässt sich in kein Schema drücken, ist alles andere als ein 08/15-Typ. «Unangepasst», das ist der richtige Ausdruck. Wie früher Collombin.
Zurück in der Schweiz kauft er sich nicht wie vorgesehen eine Harley Davidson, sondern eine Parzelle Land.
Heimetli statt HD
Geboren wird Klaus Zenger 1965 in Habkern, dort wächst er auf, besucht die Schulen in Habkern, Beatenberg und Unterseen. Danach lässt er sich bei HTI Interlaken zum Maurer ausbilden. Von einem ausgewanderten Schweizer weiss Zenger, dass jener in Colorado vorübergehend Aushilfskräfte auf dem Bau sucht, worauf sich der Berner Oberländer entschliesst, ein Jahr ennet dem Teich zu verbringen. Dort lernt er, dass Gebäude nicht für die Ewigkeit gebaut werden: «In der Schweiz baut man ein Haus auch für kommende Generationen, in den USA für sich selber. Die Jungen sollen dann selber schauen, was sie wo genau wollen.» Will heissen: Was hier zu viel verbaut wird, zum Beispiel Armierungseisen, wird in Amerika zu wenig verbraucht. Unserem Schweizer wird jedoch bewusst, dass man gewisse Arbeiten durchaus anders als hierzulande realisieren kann. Ein prägendes Erlebnis, das sich auch im Titel unserer Reportage widerspiegelt.
Zurück in der Schweiz kauft er sich nicht wie vorgesehen eine Harley Davidson, sondern zusammen mit seinem Bruder eine Parzelle in Hohlen, Gemeinde Beatenberg. Mit einem alten Menzi Muck beginnt er mit dem Aushub für die notwendigen Zuleitungen zum künftigen Haus. Einigen Nachbarn imponiert die Weise, wie sich Zenger an die Sache heranmacht, wodurch er gleich zu ersten Aufträgen kommt. Plötzlich sind Bachverbauungen oder Beschneiungsanlagen für die Jungfraubahnen oder die Schilthornbahn sein Umfeld, weil er sich auf Arbeiten im steilen Gelände spezialisiert hat. Sein unkonventionelles, aber extrem rationelles Vorgehen macht rasch die Runde, sodass er sozusagen zum Expandieren gezwungen wird, weitere Geräte anschaffen und Mitarbeiter – alles Baumaschinenführer – einstellen muss. Bald ist das Gelände im Beatenberg zu klein, eine Ausbreitung wegen der Zonenplanung unmöglich, sodass er sich auf die Suche nach einem neuen Standort macht.
«Wir wollen Sie nicht hier…»
Er benötigt Jahre, bis er fündig wird. Als er endlich auf ein ehemaliges Areal der HG Commerciale – der Handelsgenossenschaft des Schweizerischen Baumeisterverbands – mit seinen Baumaschinen an die Fabrikstrasse ziehen kann, erwartet er eigentlich «eine Art Blumenstrauss» der Gemeinde als Willkommensgruss. Nichts dergleichen. Im Gegenteil: Die Behörden lassen ihn unmissverständlich wissen, dass er nicht willkommen ist, «weil man hier in Interlaken vom Tourismus lebt», und die vielen Baumaschinen optisch störend wirken. Für sein Argument, dass die Firma zum Beispiel Beschneiungsanlagen mitbaut, die dem Tourismus dienen, hat man kein Gehör.
Kein Wunder, macht sich der Unternehmer auf die Suche nach einem neuen Standort, wo man über einen neuen Steuerzahler mit einigen Arbeitsplätzen dankbar ist. In Wilderswil findet er vor ungefähr zehn Jahren diesen Ort, im Industriegebiet am Mittelweg. Die Burgergemeinde macht es möglich, besteht aber darauf, dass er seinen Wohnsitz ebenfalls nach Wilderswil verlegt.
In einer Alteisenhalle
«Rein funktionell» präsentiert sich heute die Halle, wo unzählige Schritt- und Raupenbagger, Raupentrax, Walzen, Rad- und Raupendumper, Liefer- und Lastwagen, Transporter mit Kran- und Absatzmulden, Spezialschiffe, Arbeitsboote oder Pontons stehen – sofern sie nicht, wie bei unserem Besuch, «auswärts im Einsatz» stehen, wie Klaus Zenger stolz feststellt (siehe auch Kästchen). Wie viele Maschinen und Fahrzeuge stehen denn zur Verfügung? «Ich weiss es nicht einmal genau», kommt mit entwaffnender Ehrlichkeit zurück. Präzisier wird der Selfmade-Man bei der Anzahl seiner Mitarbeitenden: «Das schwankt zwischen acht und zehn Baumaschinenführer.» Der Mann ist wirklich eine Wundertüte, wenn er über sein Geschäftsmodell philosophiert. Die erwirtschafteten Erträge steckt er in zusätzliche Spezialgeräte, Pomp ist ihm fremd. Entsprechend präsentiert sich auch seine riesige Lagerhalle, ausschliesslich aus Elementen zusammengesetzt, die andernorts ihren Dienst beendet haben: Die ehemalige Sitztribüne des Stadions vom FC Thun dient als Vordach, die riesigen Metallschiebetüren kommen aus einer Flugzeughalle, der Hallenkran vom Zeughaus, die eigentliche Halle stammt von der Lagerhalle der Firma Pelikan zwischen Meilen und Egg. Sogar die alte Wixi-Skibrücke über die Bahngeleise dient als Oberboden. Die Chance, dass das Gebäude einmal den Wakker-Preis zugesprochen bekommt, ist deshalb eher klein …




Der Problemlöser
Anders als die anderen. So muss man die Firma heute bezeichnen. Ihre Arbeitsgeräte stehen überall dort, wo man sie eigentlich nicht vermutet; sei es auf einem Floss, wo Chlöisel Zenger mit seinen Mannen den Aushub unter Wasser für die Gasleitung durch den See sichergestellt haben. Für den Hochwasserschutz Sundlauenen hat Zenger eigens ein Spezialponton konstruiert, um 50000 m3 Material im See verklappen (heisst unter Wasser absetzen) zu können. Die Fischzucht Faulensee trägt ebenfalls seine Handschrift. Die Zenger AG baut Hafenanlagen, setzt Anbindepfähle, versetzt Steinblöcke und, und, und. Die Spezialboote und -flosse sind demontierbar und können innert 24 Stunden auf jedem Schweizer See eingesetzt werden. Die Bilder sagen dazu mehr aus als tausend Worte.
Ein Anliegen ist dem 53-Jährigen die Renaturierung von Flussufern oder Bächen. Da kann es schon mal vorkommen, dass ganze Schilfkulturen mit dem Schiff zu ihren neuen Standorten gefahren werden. Was treibt diesen modernen Daniel Düsentrieb mit seinem Erfindergeist denn an? «Jeder Auftrag ist etwas Spezielles, ob er nun von Bergschaften, von Bahnen, von Schwellenkorporationen oder von Privaten kommt. Meistens verfügen wir über die Gerätschaften, um unseren Kunden dienen zu können. Und wenn nicht, dann machen wir uns daran, ein bestehendes Gerät so zu verändern und aufzurüsten, damit wir den Auftrag erledigen können.» Sagts und geht hinüber zu Ueli Zaugg, der als Maschinenmechaniker die Ideen seines Chefs in die Tat umsetzt.
Ach ja, den Kauf einer Harley Davidson hat «Chlöisel» nachgeholt.