Sabine Joss: Hauptsache draussen

Sabine Joss: Hauptsache draussen

Sabine Joss: Hauptsache draussen

Als selbstständige Biologin ist Sabine Joss am liebsten draussen unterwegs. Ihre Leidenschaft für Flora und Fauna, Gebirgsökologie und Wandern macht sie in ihren Büchern auch für andere erlebbar. 

Text: Anja Rüdin | Fotos: Sabine Joss, zvg

Ganz nach dem Leitspruch «Hauptsache draussen» befindet sich Sabine Joss sowohl während der Arbeit als auch in ihrer Freizeit am liebsten in der freien Natur. «Für Büroarbeit wäre ich gar nicht geeignet, ich habe kein Sitzleder», erklärt sie schmunzelnd. Als selbstständige Biologin und Journalistin kann sie sich ihre Projekte selbst einteilen und hat somit zwischendurch auch Zeit für diverse Buchprojekte. Bisher wurden insgesamt 16 Bücher unter ihrem Namen veröffentlicht, einige davon schrieb sie gemeinsam mit ihrem Mann Fredy Joss.

Sabine Joss verbindet ihre Leidenschaft für die Biologie und den Journalismus seit ­Jahren gekonnt miteinander. Während der Wintermonate beschäftigt sie sich einerseits mit dem Schneiden von Bäumen, seit sie beim Bauernverband Baumwärterkurse absolviert hatte. Zum anderen bezeichnet Sabine Joss auch das Schreiben als eine gute Winterarbeit: «Mir gefällt es zu schreiben, Texte für andere Leute aufzubereiten und sich in ein Thema vertiefen zu können, worüber ich nachher schreibe.» Im Sommer wiederum ist Sabine Joss in der ganzen Schweiz als selbstständige Biologin unterwegs. Für verschiedene Forschungsprojekte wie beispielsweise das Biodiversitätsmonitoring kartiert sie Vögel, Pflanzen und vieles mehr. Dabei ist vor allem Artenkenntnis gefragt. «Wir interpretieren selbst nicht, sondern liefern die Grundlage, damit Forschende die Veränderung der Natur beurteilen können.»

Aufgewachsen ist Sabine Joss in Bern, und auch Biologie studierte sie an der Universität in der Bundesstadt. Später wollten sie und ihr Mann in der Nähe der Berge wohnen. Da sie für ihre Projekte sowieso in der ganzen Schweiz arbeitet, spielte es eigentlich keine Rolle, in welcher Region sie wohnt. Schlussendlich fiel ihre Wahl auf Beatenberg, wo sich die beiden sehr wohlfühlen. Dort leben zu können, wo andere Ferien machen, hat aus Sabine Joss’ Sicht mehrere Vorteile: Die Landschaft rundherum ist sehr inspirierend für Schreibarbeiten, und nach Feierabend kann man direkt von der Haustür aus loswandern und die Region geniessen. Letzteren Aspekt kosteten Sabine und Fredy Joss besonders während des Lockdowns aus. Mit plötzlich sehr viel mehr Zeit zur Verfügung erkundeten sie die Umgebung Beatenbergs und entdeckten dabei neue Wege, Höhleneingänge und alte Brücken. «Viele dieser Wege sind keine Wanderwege mehr, sondern nur auf alten Karten zu finden. In etwa einem Kilometer Umkreis von zu Hause aus fanden wir vieles, was uns bisher unbekannt war.»

Die Region Beatenberg und die Thunerseeregion im Allgemeinen sind beide sehr vielfältig. «Während oben noch Winter herrscht und teils Schnee liegt, kann man unten am See schon den Einzug des Frühlings geniessen und sich an den wachsenden Blumen erfreuen», weiss Sabine Joss. Auch erinnern sie manche Gegenden an andere Länder, so wirkt zum Beispiel Seefeld schon fast skandinavisch, während die Beatenbucht ein mediterranes Flair hat. Diese Betrachtung zeigt, wie viel Vielfalt die Thu­nerseeregion auf kleinem Raum zu bieten hat. Allgemein ist die übersichtliche Grösse eines Landes wie der Schweiz von Vorteil, meint Sabine Joss: «Unser gut erschlossenes Wanderwegnetz lässt sich so gut pflegen und ist immer auf dem neuesten Stand. 

Dafür wird seit Jahrzehnten ein grosser Aufwand betrieben, was vielen vielleicht gar nicht bewusst ist.» Dieser wichtigen Aufgabe geht sie dieses Jahr als Wanderwegverantwortliche der Gemeinde Beatenberg gleich selbst nach. «Ich habe selbst schon viele Jahre von den Wanderwegen profitieren können für meine Bücher, da ist es schön, sich zu revanchieren.» Zu ihren Zuständigkeiten gehören dabei die Nachführung von Markierungen, das Melden von blockierten Wegabschnitten oder auch das Prüfen von Wegweisern, damit diese stets die richtige Richtung weisen.

«Unser gut erschlossenes Wanderwegnetz lässt sich so gut pflegen und ist immer auf dem neuesten Stand.»

Zum Wandern besucht Sabine Joss neben Beatenberg natürlich auch viele andere Regionen. Meistens sind sie und ihr Mann in der Schweiz unterwegs, nur selten im Ausland. «Da geht es uns wie vielen Haustierbesitzern, wir lassen unsere beiden Katzen nicht gerne alleine zu Hause», erklärt Sabine Joss. Nach einem Geheimtipp fürs Wandern gefragt zählt Sabine Joss nach kurzem Überlegen so einige Orte auf. Angefangen mit Finale in Italien – einem Gebiet, das ­eigentlich fürs Klettern bekannt ist, aber auch wunderschöne schmalere Wander­wege zu bieten hat. In der Schweiz werden der Aargau und allgemein das Mittelland als Wandergebiete oft unterschätzt. «Besonders im Frühling und Frühsommer ist es dort noch nicht ganz so heiss, und es hat auch viel weniger Leute im Vergleich zur Thunersee­region. Da hat man die Wanderwege oft für sich alleine», verrät Sabine Joss. Weiter überzeugt auch das Glarnerland mit tollen Wanderwegen, wunderschöner Natur und spannender Topografie, wobei es «manchen Leuten zu steil und ruppig ist». 

Neben dem Wandern gehört auch das Klettern zu den Interessen von Sabine Joss. Fast noch lieber ist ihr das Bouldern: «Fürs Bouldern braucht man eigentlich nichts und kann sich ganz unbeschwert am Fels bewegen.» In der Region bietet sich Inter­laken als Klettergebiet besonders an. Trotz ihrer Freude am Klettersport ist Sabine Joss auch immer ein wenig hin- und hergerissen, wenn Felswände zum besseren Erklimmen von jeglichem Pflanzenbewuchs bereinigt werden. «Es ist nicht unbedingt nötig, dass jeder Felsen erklettert wird, manche sollte man auch der Natur überlassen.» Mit etwas Rücksicht auf die Natur sei dem Klettern aber selbstverständlich nichts entgegenzusetzen. So kann man beispielsweise eine Route melden und meiden, wenn dort ein Vogel brütet.

Als erstes Buchprojekt von Sabine Joss erschien 2008 ein Blütenwanderführer in zwei Bänden. Im Gegensatz zu Pflanzen­bestimmungsbüchern geben diese Wanderbücher Auskunft darüber, wann und wo bestimmte Arten besonders üppig und zuverlässig blühen. «Auf diese beiden Bücher erhalte ich auch heute noch am meisten Briefe und Rückmeldungen von Lesenden. Sie schicken Bilder oder fragen, wann der dritte Band folgt», verrät Sabine Joss. Normale Wanderrouten kann man auch im Internet oder in Apps suchen, jedoch decken die Wanderbücher von Sabine Joss neben der Wegweisung auch andere Aspekte ab. So ergibt sich ein Gesamtkonzept aus den Wegen und daraus, was man an deren Rändern hören, sehen und erleben kann. «Ein Wanderbuch kann auch ein Ziel vorgeben. Während man im Internet unzählige Wanderungen findet, gibt der Abschluss eines Buches das Gefühl, etwas abgeschlossen und geschafft zu haben», gibt Sabine Joss zu bedenken.

Zu den aktuellsten Projekten von Sabine und Fredy Joss gehört eine Reihe von Genusswanderbüchern für verschiedene Regionen der Schweiz. «Parallel zum Genussklettern, dem sogenannten Plaisirklettern, wollten wir eine Genusswanderserie für Langschläfer oder Familien machen, bei der jede Wanderung nicht länger als drei Stunden dauert und jeweils nicht mehr als 500 Höhenmeter Aufstieg überwunden werden müssen.» Übrigens sind bei all ­ihren Wanderbüchern alle Startpunkte mit dem ÖV erreichbar, sodass man nicht auf ein Auto angewiesen ist. Denn auch Sabine und ­Fredy Joss sind ohne Auto unterwegs, da sie keines besitzen und mit dem ÖV trotzdem jedes ihrer Ziele gut erreichen können. Und auch für das Gebiet zwischen Thunersee, Justistal, Niederhorn, Hohgant und Augstmatthorn hat Sabine Joss eine Auswahl von 20 Wanderungen in einem Buch gesammelt. Die aussichtsreichen ­Gipfel, geheimnisvollen Höhlen und moosigen Bergwälder warten diesen Sommer nur darauf, von Ihnen entdeckt zu werden …

Buchtipp

Streifzüge Beatenberg – Habkern

Autorin: Sabine Joss
284 Seiten, gebunden, Softcover
mit 279 Abbildungen und 20 Karten
ISBN 978-3-03818-259-7 | CHF 29.– / EUR 26.– 

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