Silvia Zimmermann: Malend Lösungen finden

Silvia Zimmermann: Malend Lösungen finden

Silvia Zimmermann: Malend Lösungen finden

«Mit Menschen zu arbeiten, erfüllt mich», sagt Silvia Zimmermann von sich selbst. Die ehemalige Primarlehrerin hat sich mit voller Leidenschaft der Kunsttherapie verschrieben und hilft Menschen dabei, mit künstlerischen Mitteln Schwierigkeiten zu überwinden.

Text: Anja Rüdin / Fotos: Brigitte Marti Fotografie

In der Kunsttherapie wer­den Aspekte von Kunst und Therapie miteinander verbunden. Während mit «Therapie» alle Massnahmen be­zei­chnet werden, die darauf abzielen, Krankheiten, Verletzungen oder seelische Traumata positiv zu beeinflussen, ist die Kunst ein wichtiger Teil unserer Kultur, der uns Anregung und Zugang zur Kreativität sowie Raum für Erholung und Kontemplation bietet. Die Verbindung zwischen dem künstle­rischen Gestalten, einer kreativen Tätigkeit, und der Therapie, der Arbeit an sich selbst, birgt für Silvia Zimmermann grosse Chancen: «Meine Klientinnen und Klienten sagen, dass es gut ist, etwas tun zu können und zu malen, anstatt ‹nur› zu sprechen. Ein Bild zu gestalten, ist selbstwirksames Tun.» In ihrem Atelier kommen verschiedene künstlerische Techniken zur An­wendung: malen, formen, gestalten, schreiben …

Einen Vorteil der Kunsttherapie sieht Silvia Zimmermann darin, dass die Sprache nicht im Zentrum steht: «Die Sprache ist zwar wichtig, aber nicht das alleinige Ausdrucks- und Kommunikationsmittel. Die Sprache ist vom linkshemisphärischen Teil des Gehirns geprägt. Durch das Malen kommt das intuitive Wissen, das sinnliche Erleben, das bildhafte Erinnern dazu, alle von der rechten Hirnhälfte gesteuert und gespeichert.» Durch die Verbindung entsteht etwas Ganzheitliches. Für diese Form von Malen braucht es keine  Vor­aussetzungen; dort, wo es sich richtig anfühlt, wird mit der darstellenden Arbeit begonnen. Während des Entstehungsprozesses nimmt man sich, geführt von Silvia Zimmermann, immer wieder Zeit, um innezuhalten, zu reflektieren und Zusammenhänge zu erkennen.

Die Leidenschaft

Das Malen begleitet Silvia Zimmermann schon seit einigen Jahren: 1991 begann sie in einem Atelier zu malen, um einen Ausgleich zum Kleinkinderalltag zu Hause zu finden und sich persönlichen Freiraum zu schaffen. Schnell bemerkte sie, dass sie noch lieber auf der Malleiterinnen-Seite stehen möchte. Nach der ersten Ausbildung bei Arno Stern eröffnete sie ein eigenes Atelier in Spiez. Es folgten weitere Ausbildungen zum Begleiteten Malen, zur Kunsttherapie am IHK und zum Lösungsorientierten Malen (LOM®). Lange Jahre pflegte sie die Atelierarbeit mit Kinder- und Erwachsenengruppen im Atelierhaus. Dies geschah bis zu ihrer Pensionierung parallel zur Tätigkeit in der Primarschule und zur heilpädagogischen Arbeit, der sie bis 2021 nachging. Heute widmet sich Silvia Zimmermann ausschliesslich der Kunsttherapie – einerseits in ihrem Atelier in der Berner Altstadt, andererseits in einer etwas kleineren Variante in Spiez.

Silvia Zimmermann ist in Spiez aufgewachsen. Sie ist mit «dem besten aller Männer» verheiratet, und in ihrem gemeinsamen Familienhaus wurden zwei Kinder gross. Vor ein paar Jahren hat sich ein lang gehegter Traum erfüllt: Das Paar fand eine Wohnung in der Berner Altstadt und gleich ein Ate­lier dazu. Nun wohnt und arbeitet Silvia Zimmermann auch in Bern und geniesst mit ihrem Mann die Nähe zu den Grosskindern.

Die Berufung

Dank ihrer grossen Erfahrung und zahlreichen Weiterbildungen hat Silvia Zimmermann ein breites Repertoire an Ansätzen, auf die sie zurückgreifen kann: «Ich stelle meinen Klientinnen und Klienten alle Arten von möglicher Arbeit vor. Wir entscheiden dann jeweils gemeinsam, womit wir beginnen. Oft ergänzen sich die Methoden auch.» Unter Lösungsorientiertem Malen (LOM®) versteht man eine kunsttherapeutische Me­thode, die zur Belastungsreduktion von auftretenden Störungen angewandt wird. «Menschen kommen mit verschiedensten Anliegen in die LOM®-Therapie: Beziehungsfragen, Ängsten, belastenden Erinnerungen, ungelösten Konflikten, unklaren Perspektiven …», führt Silvia Zimmermann aus. Aus der Hirnforschung ist bekannt, dass Bilder unsere Gefühle, Gedanken und Handlungen beeinflussen. In der LOM®-Arbeit werden störende oder belastende Bilder durch in Ordnung gebrachte Bilder ersetzt, dabei geht man in einer klar strukturierten Arbeitsweise vor. «Die Personen erleben, dass sie selbstwirksam etwas tun können und das Bild sie zu neuen Einsichten führt.» Die Aufgabe von Silvia Zimmermann ist es, diesen Prozess achtsam zu begleiten.

Gemalt wird meistens mit den Händen – vorzugsweise mit der nicht dominanten Hand – auf grosse Papierbögen. «Die hochwertigen und bio- informierten Malfarben unterstützen den Malprozess. Die Palette der Farbtöne ist gross, und die Farben lassen sich gut miteinander mischen, sodass viele Nuancen möglich sind», verbildlicht Silvia Zimmermann. Gemalt wird deckend, was etwas plakativ wirken mag, für den Prozess jedoch nötig und wichtig ist. Das heisst, das Ausgangsbild wird mit der in Ordnung gebrachten Variante übermalt.

Es kommen einerseits erwachsene Menschen ins Atelier, die an ihren Lebensthemen arbeiten wollen, auf der Suche und in Auseinandersetzung mit drängenden Fragen, Lebensthemen oder Belastungen sind. «Sie sind oft nicht (mehr) gewohnt zu malen, aber verlieren im Laufe der Arbeit die Scheu und erleben, dass auch ihnen ein Porträt oder ein Tier gelingt.»

Die Arbeit mit Kindern liegt der ehemaligen Lehrerin auch heute noch besonders am Herzen. Kinder und Jugendliche finden den Zugang zum Malen meist leicht und malen intuitiv drauflos. «Malen stärkt das Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeit und erfordert Ausdauer und Konzentration, bis das Bild fertig ist. Das empfinde ich gerade in der heutigen, schnelllebigen und von dauernden neuen Impulsen zerstückelten Welt als eine wohltuende Ruheinsel», gibt Silvia Zimmermann zu bedenken.

Mit der pädagogischen Beratung steht Silvia Zimmermann Eltern und deren Kindern zur Seite, wenn sich diese Sorgen machen und Schwierigkeiten auftreten. «Es geht darum, herauszufinden, was das Kind bedrückt oder ihm Probleme bereitet. Das Kind soll Erfahrungsspielraum bekommen, probehandeln können, Neues versuchen – und Sicherheit erfahren im Raum hier und in der Beziehung mit der Therapeutin.» In Elterngesprächen werden der Verlauf der Therapie sowie mögliche Ängste und Anliegen besprochen. So entsteht eine vertrauensvolle und gute Zusammenarbeit.

«Gemalt wird vorwiegend mit den Händen – vorzugsweise mit der nicht dominanten Hand – auf grosse Papierbögen.»

Einzigartige Farbpigmente

Als neuestes Feld befasst sich Silvia Zimmermann auch mit dem Malen mit Steinpigmenten. Um aus einem Stein Malfarbe herzustellen, erfordert es einige Zeit und Kraft. Die Steine werden mit einem Hammer zerkleinert und mit feinsten Laborsieben gesiebt, mit Wasser gelöst und danach mit einem natürlichen Bindemittel gebunden. «Die Farben und die Kraft dieser Steinpigmente beim Malen zu erfahren, ist faszinierend!» In ihrem Atelier steht ein Regal voller fertig zubereiteter Pigmente bereit, darunter auch verarbeitetes Gestein vom berühmten Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau. «Es ist wirklich überraschend, vom mächtigen Eiger mit der dunklen Nordwand auch ein feinrosafarbenes Pigment zu erhalten, weil im Innern des Eigers kristalline Schichten eingeschlossen sind, die diese Farbe aufweisen», erklärt Silvia Zimmermann strahlend.

Die Begeisterung für ihr Metier ist Silvia Zimmermann während des ganzen Gespräches anzumerken. Sie hat in ihren 30 Jahren als Mal- und Kunsttherapeutin viele berührende Momente erlebt, wo Freude sich ausbreitete, etwas Schweres sich aufgelöst hat, eine neue Erkenntnis sich den Weg bahnte oder eine grosse Belastung sich in Ruhe verwandelte: «Ich bin den unzähligen malenden Kindern und Erwachsenen sehr dankbar für ihr Vertrauen und die gemeinsame Arbeit.»

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