Hans Otto von Allmen: Im Edelweisshemd nach New York
Hans Otto von Allmen: Im Edelweisshemd nach New York
Seit zehn Jahren bringt Sven Allenbach als urchiger Mürrener Hans Otto von Allmen das Publikum zum Schmunzeln. Die ThunerseeLiebi traf den gebürtigen Ringgenberger auf dem Harder und sprach mit ihm über seinen Traumberuf, Klischees und laute Lacher.
Text: Diana Huber|Fotos: Diana Huber, zvg
Die Sonne steht bereits hoch am Himmel, als Sven Allenbach bei seinem Lieblingsplatz am Harder eintrifft. Er setzt sich auf eine Holzbank und beginnt im Schatten einer Bergtanne zu erzählen: «Als kleiner Junge wollte ich Archäologe werden. Ich dachte, das sei ein richtig abenteuerlicher Beruf, bei dem ich mich in ferne Länder aufmachen und deren Geschichten kennenlernen könne.» Dass diese Tätigkeit eine relativ trockene Materie behandelt, das habe er sich damals nicht vorstellen können, so Allenbach. Ferne Länder und Geschichten faszinieren ihn bis heute. Doch dazu später mehr.
Weil er gerne zeichnet, entschied sich der Berner Oberländer schliesslich für eine Lehre als Hochbauzeichner. In Interlaken absolvierte er die vierjährige Ausbildung. «In einem tollen Betrieb», meint Sven Allenbach, «doch ich merkte schnell, dass dieser Beruf nichts für mich ist. Er war mir nicht kreativ genug.» Zudem, gibt er mit einem verschmitzten Lächeln zu, habe er damals auch andere Dinge im Kopf gehabt. Von seinem Arbeitsplatz aus bot sich ihm eine wunderbare Aussicht auf die zwei Seen – den Brienzersee vor Augen, den Thunersee im Rücken. Er war als leidenschaftlicher Windsurfer oftmals damit beschäftigt, Wind und Wellen zu prüfen, anstatt sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Nach der Lehre schloss Allenbach an der Noss in Spiez die Matura ab und merkte ziemlich schnell, was er eigentlich wollte: unabhängig sein und auf eigenen Beinen stehen.
Heute ist Sven Allenbach mit seiner Firma sevenworldproductions als Regisseur, Autor, Fotograf, Moderator, Journalist und Filmemacher tätig. Er entwickelt Sendekonzepte fürs Schweizer Fernsehen, schreibt Theaterstücke und tritt nebenbei noch als Komiker auf. Allenbach winkt ab: «Das tönt alles extrem hochgestochen. Regisseur, Produzent und Drehbuchautor, bla bla bla. Wenn man es auf den Punkt bringt, ist mein Job als Künstler schlicht und einfach, Geschichten zu erzählen. Egal ob ich filme, fotografiere oder als Hans Otto von Allmen auftrete, ich erzähle stets eine Geschichte.» Es sei aber zugegebenermassen nicht immer einfach, jemandem zu erklären, womit er seinen Lebensunterhalt verdiene. Werden sie nach dem Beruf ihres Vaters gefragt, müssen sein 10-jähriger Sohn und seine 12-jährige Tochter jeweils weit ausholen.
Geschrieben hat Sven Allenbach schon als Jugendlicher gerne. Mit einer bis heute anhaltenden Begeisterung für gute Musik verfasste er damals CD-Kritiken, bewarb sich damit bei verschiedenen Zeitungen und betrat so die Welt des Journalismus. «Das Schreiben war immer da. Nur hätte ich nie gedacht, dass ich jemals davon leben könnte!»
Es verwundert wenig, dass Allenbach die Texte für seine Auftritte als Hans Otto von Allmen allesamt selbst verfasst. Das ist in diesem Business jedoch nicht selbstverständlich; viele Comedians wie Marco Rima oder Divertimento arbeiten mit Schreiberlingen zusammen. Die Inspiration für seine Texte holt sich Allenbach im Alltag, an der Kasse in der Migros, in den Ferien am Meer oder bei einem Spaziergang auf dem Harder. Der freischaffende Künstler hat immer ein Notizbuch dabei. Was er darin nicht aufschreibt, notiert er sich in Gedanken. Die konkrete Umsetzung folgt dann später, meist wenn er unterwegs ist, in eben den fremden Ländern, die ihn schon als kleinen Jungen fasziniert haben. Allenbach beschreibt diesen kreativen Prozess folgendermassen: «Ich steige in Interlaken in den Zug, fahre nach Romanshorn, Stresa, Domodossola, Zürich, wohin auch immer, und schreibe. Es kommt auch mal vor, dass ich nach Basel fahre, in ein Flugzeug steige und in London, Marrakesch oder Brüssel lande.» So entsteht während nur zwei Tagen ein ganzes Programm.
Wie seine Themen ist auch Allenbachs Figur Hans Otto von Allmen mitten aus dem Leben gegriffen. Als junger Bursche stand der Ringgenberger eine Saison als Skilehrer in Mürren auf der Piste. Damals begegnete er dem echten Hans Otto, einem älteren Skilehrer aus der Region, der stets mit einem Stumpen im Mundwinkel und einem Flachmann in der Tasche anzutreffen war – genau so, wie man sich einen richtig urchigen Bergler vorstellt. Er sprach kein Wort Englisch, hatte aber nie Mühe, sich mit seinen Skigästen zu verständigen. Sven Allenbach kann es sich nicht verkneifen, das Original kurz zu imitieren, schlüpft für wenige Sekunden in seine Rolle als Hans Otto von Allmen und meint mit heiserer Stimme: «Weischt – i cha niit Inglisch.»
Der richtige Hans Otto von Allmen ist mittlerweile verstorben. Im Dorf gibt es aber noch einen zweiten mit diesem Namen, ebenfalls einen waschechten Mürrener. Dieser zweite echte Hans Otto ist mittlerweile ein grosser Fan von Allenbach, besucht viele seiner Auftritte und sammelt alle Artikel über ihn und sein Alter Ego Hans Otto.
«Jede Vorstellung ist anders.»
Allenbach ist sich bewusst, dass es Vor- und Nachteile mit sich bringt, mit solch einer Figur aufzutreten. Er werde oft mit Klischees konfrontiert: «Wenn du ein Edelweisshemd trägst, dazu noch Edelweisshosenträger, da denken alle, jetzt kommt der mit dem Handörgeli und spricht von seinen Kühen.» Auf der anderen Seite findet er es spannend, mit solch stereotypen Vorstellungen zu brechen: «Bergler werden oft als engstirnig angesehen, das ist und war Hans Otto aber niemals. Zugegeben, rein äusserlich schon, aber ansonsten gar nicht. Der Mürrener sprach Italienisch, hatte eine italienische Frau, ging viel auf Reisen und war sehr weltoffen. Alles Dinge, die man ihm auf den ersten Blick nicht zugetraut hätte.» Die Figur Hans Otto von Allmen tritt ganz wie sein bodenständiges Vorbild auf: Erfrischend weltoffen, schlagfertig und ungeschminkt kommentiert und beleuchtet er Alltägliches mit trockenem Humor und einer Portion Selbstironie.
Seit 2006 ist Allenbach mit dem urchigen von Allmen unterwegs. Für diesen Winter ist eine Jubiläumstour geplant, in der der Kreativkopf die Highlights dieser zehn Jahre aufgreifen und auf humorvolle Art und Weise die Entwicklung seiner Figur aufzeigen möchte. «Es wird kein Best-Of-Programm – das wäre mir zu langweilig», verrät Allenbach. Der Titel der Tour steht schon: «Tiliplunz» heisst das neue Programm, auf deutsch «Bergdohle». Ein Mürrener Ausdruck, der perfekt zur Figur passt, die wie die Bergdohlen in den Bergen heimisch ist, aber eben doch ab und zu die Flügel ausbreitet und einen Abstecher über die Gipfel hinaus wagt.
So auch im Jahr 2009, als Allenbach mit seiner Figur nach New York reiste. Monate zuvor hatte er sich mit einem berndeutschen Video für einen Auftritt im berühmten New Yorker Gotham Comedy Club beworben, in dem bereits sein grosses Vorbild Jim Carrey aufgetreten war. Allenbachs Bewerbung war erfolgreich, und so stand der Berner Oberländer Comedian in New York als Hans Otto von Allmen auf der Bühne. «Ich war so nervös wie bei meinem ersten Auftritt», gibt Allenbach lachend zu. Zum Publikum sprach er konsequent im Mürrener Dialekt, zeitweise auch auf Englisch, mit tiefgefärbtem schweizerdeutschem Akzent versteht sich. «Die Leute dachten: ‹das ist jetzt also ein typischer Schweizer!›», meint der Ringgenberger mit einem Augenzwinkern.
Dieser Auftritt wird Allenbach wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Er ist aber nicht das einzige Highlight seiner Karriere. 2008 war Allenbach bei den Swiss Comedy Awards nominiert und trat vor einem ungewohnt grossen Publikum auf. «Dieses Gefühl, wenn 700 Leute lachen, das ist unbeschreiblich», meint er und seine Augen blitzen vergnügt. Doch auch die kleinen, intimeren Auftritte möchte der Berner Oberländer nicht missen. Seinen allerersten öffentlichen Auftritt als Comedian hatte Allenbach im Stadtkeller in Unterseen, in dem gerade mal 60 Leute Platz finden. Bis heute kehrt er regelmässig mit seinem Programm dorthin zurück, ein «Heimspiel», wie er es nennt. Dabei betont er: «Jede Vorstellung ist anders. Ich passe mich dem Publikum, dem Raum an.» Der freischaffende Künstler, Fotograf, Filmemacher, Autor, Schauspieler und Regisseur, sprich der leidenschaftliche Geschichtenerzähler, lässt sich nicht in eine Schablone pressen – weder als Hans Otto von Allmen noch als Sven Allenbach.