Toby Adam: Schlossherr und Känguru-Vater
Toby Adam: Schlossherr und Känguru-Vater
Auf Schloss Hünegg am rechten Ufer des Thunersees ist Toby Adam in sein siebtes Jahr als Betriebsleiter und Schlosswart gestartet. Hier lebt er all seine Fähigkeiten in vollen Zügen aus. Seit letztem Spätsommer sind im Schlosspark auch Desertrose und Wildflower, zwei hüpfende Rotnackenkängurus, zu Hause.
Text und Fotos: Christine Hunkeler
Das Museum im Schloss Hünegg ist kein gewöhnliches Museum. Seit 1900 ist die Ausstattung unverändert, und so scheint es immer, als kehrten die ehemaligen Bewohner jeden Moment zurück. Toby Adam, ursprünglich aus Bern, fühlt sich hier sehr wohl, ist es aktuell doch «sein» grosses Haus und «sein» grosser Garten, wo das Rad nie zum Stillstand kommt. Auf Schloss Hünegg führt er mehrere Berufe gleichzeitig während sieben Tagen die Woche drinnen und draussen aus. Der Rucksack mit Toby Adams gesammelten Erfahrungen ist prall gefüllt: So ist er nicht nur Gastronom mit Fähigkeitsausweis, sondern auch gelernter Schreiner, Grafiker, Event- und Marketingmanager, Museumsleiter, Projektentwickler und seit bald einem Jahr auch Tierpfleger im Hünegg-Park.
Viele Jahre hat Toby Adam nach der beruflichen Traumherausforderung gesucht, bei der er all sein Wissen und Können einsetzen kann. Hier auf Schloss Hünegg hat er sie gefunden. Die Idee, dass es eine Tätigkeit mit einem Schloss sein muss, wurde ihm vor 15 Jahren klar, nachdem er auf einer Schweizreise das Schloss Lenzburg besucht hatte. Wie es der Zufall wollte, ist er vor einigen Jahren bei Aufräumarbeiten während seiner Zeit als Chef de Bar und Ausbildner im Seeland wie von Zauberhand auf eine Zeitung mit der entsprechenden Stellenanzeige gestossen. Vergeblich hatte er die Jahre vorher nach einer solchen Stelle gesucht. Noch am gleichen Tag hat er sich auf diese Stelle beworben und wurde unter zahlreichen Mitbewerbenden rekrutiert.
Zuvor war Toby Adam exakt zehn Jahre als Gastronom im Kanton Bern unterwegs. Unter anderem als Barista und Barkeeper in Adrianos Bar und Café am Theaterplatz in Bern. In dieser Zeit war er auch künstlerisch tätig, fertigte Skulpturen, Bilder sowie Produkte an und war DJ über viele Jahre. Im Jahr 2014 gehörte er zu den besten fünf Barkeepern in der Schweiz und hatte in Annemarie Wildeisens Zeitschrift «Kochen» regelmässig einen Auftritt mit passenden Rezepten. Bevor er seine Stelle auf Schloss Hünegg begonnen hat, war er zudem noch vier Jahre im Seeland in der Gastronomie tätig. Dort, wo auch die zukunftsweisende Zeitung mit dem entsprechenden Stelleninserat auf dem Tisch lag.
Wallabys sind bekannt dafür, dass sie lieber auf Rückzug statt auf Konfrontation setzen.
Auf Schloss Hünegg wird immer wieder Neues und Unerwartetes angeboten. So sind seit letztem Spätsommer tatsächlich zwei Kängurus im Tiergehege im Park anzutreffen. Die beiden Bennet-Wallabys Desertrose und Wildflower teilen sich das Aussengehege mit den beiden grossen Kaninchenschwestern Luna und Nikkita, die Toby Adam auf einem Spaziergang bei einem Bauernhof vor dem Metzger gerettet hat, und dem Pfauen Hansli, dessen Kollege Joggeli letztes Jahr aus Altersgründen leider verstorben ist. Die Suche nach einem neuen Pfauenkollegen ist bereits gestartet. Die beiden Wallabys haben Schweizer Wurzeln und stammen aus dem Tierpark Tschugg bei Erlach im Seeland. Sie kamen im November 2020 auf die Welt. Jahr für Jahr gibt es dort Jungtiere, die aus Platzgründen jedoch nicht alle in Tschugg gehalten werden können, daher haben die beiden Hüpfenden die Reise nach Hilterfingen angetreten. Toby Adam hat dafür extra eine Ausbildung absolviert und den Fähigkeitsausweis und auch die kantonale Bewilligung zur Haltung dieser Tiere ausgestellt bekommen. Die Idee zur Känguruhaltung stammt ausnahmsweise nicht von ihm, sondern von seiner Partnerin. Diese hat ihm den Vorschlag beim Känguru-Beobachten im Basler Zoo unterbreitet. Damit sich diese Vegetarier wohlfühlen, benötigen sie genügend Raum und einen Spielkumpanen. Wallabys sind wahre Anpassungskünstler und fühlen sich bei heissem wie kaltem Wetter gleich wohl. Mit den anderen Tierkollegen hat man sich im Tiergehege angefreundet. Wallabys sind bekannt dafür, dass sie lieber auf Rückzug statt auf Konfrontation setzen. Desertrose und Wildflower lernen jedoch auch, sich durchzusetzen, so gabs den Kaninchen auch schon mal eins hinter die Löffel.
Die Tierhaltung im Hünegg-Park ist professionell aufgezogen und wurde vom Schloss neu aufgebaut. Etwas vom Wichtigsten ist, ein sauberes Gehege und eine überschaubare Anzahl an tierischen Kollegen zu haben. Im Innenteil verfügt jede Tierart über einen eigenen Bereich. Die Exotik dieser Tiere passt wunderbar zu der Geschichte des Parks. Schon früher wurden hier Pfauen gehalten, und im Park trifft man auch im Bereich Flora auf verschiedene Exoten wie die schöne Libanonzeder.
Toby Adam ist seit ewig ein Tierfreund, wie er im Gespräch erzählt. So wunderts einen nicht, dass er bereits wieder etwas Neues im Köcher hat: Vor einem Jahr begann er weit oben im grossen Rundturm mit dem Bau eines Brutkastens für Turmfalken. Ein Turm ist der ideale Ort, da die Turmfalken in Siedlungsgebieten oft auf herausragenden Bauten wie Kirchtürmen oder auch an hohen Kaminen nisten. Damit die Falken nicht gestört werden, wurde das Ganze mit Schall- und Trittschutz, Spionglas und Kamera ausgerüstet. Nun bleibt das Abwarten und die Hoffnung, dass es bald so weit ist, um den neuen Zuwachs auf Schloss Hünegg zu begrüssen.
Mit Toby Adam und seinem Team sind die Angebote auf Schloss Hünegg stark gewachsen. So gibt es öffentliche, themenbezogene Grossanlässe, Krimiabende, Erlebnisfalkerei, eine Märlibibliothek, Führungen zu verschiedenen Themen, Kindergeburtstage, Team-Events und Team-Bildungsanlässe, Konzerte, Marktzauber im November und vieles mehr. Schloss Hünegg ist auch ein wichtiger Ausbildungsort für Externe geworden und natürlich ein Ort, an dem zahlreiche Märchenhochzeiten stattfinden.
Offizieller alljährlicher Start in die Saison ist am Muttertag. Bereits im Vorfeld jedoch findet das traditionelle «Oschternäschtli»-Suchen am Ostermontag im grossen Hünegg-Park statt. Toby Adam ist auch Präsident des Vereins Sommernachtstraum, der die Kulturnacht am Thunersee organisiert, und er hofft, den Anlass in diesem Jahr unter dem Motto «Sagenhaft» wieder durchführen zu können.
Toby Adam arbeitet nicht nur für das Schloss und den Park, sondern er lebt auch in der dazugehörigen Schlosswohnung. Eines seiner Ziele ist es, das Schloss Hünegg in eine sichere und gute Zukunft zu führen und noch lange in dessen Dienst zu sein. Wenn man gut zuhört, merkt man, dass von ihm noch viele neue Ideen in die Tat umgesetzt werden wollen.
Baron Albert Emil Otto von Parpart (1813–1869), gewesener Offizier in königlich preussischen Diensten, erwarb nach und nach eine grosse Besitzung. 1861 bis 1863 liess er das Schloss erbauen, das im Zusammenhang mit entdeckten Alemannen- oder Hünengräbern den Namen Hünegg erhielt. Baron von Parpart wählte für seinen Neubau Formen der Renaissanceschlösser an der Loire, zitierte Einzelelemente von Blois, Chenonceau und Azay-le-Rideau. Schöpfer war der erst 26-jährige Berliner Architekt Heino Schmieden (1835–1913). Von Parpart war seit 1846 mit Adelheid Sophie Margaritha, geborene von Bonstetten (1814–1883), verheiratet. Er starb bereits 1869. Das Ehepaar Lemke-Schuckert richtete das Innere im Jahr 1900 im Jugendstil weitgehend neu ein, und so trifft man heute alles noch genauso an.