Ursula Haller und Reto Vannini: Ein Abenteuer entlang der Seidenstrasse

Ursula Haller und Reto Vannini: Ein Abenteuer entlang der Seidenstrasse

Ursula Haller und Reto Vannini: Ein Abenteuer entlang der Seidenstrasse

«Wir Menschen sind verschiedenartig und leben in verschiedenen Kulturkreisen und haben oft nicht die Möglichkeit andere Werte kennenzulernen, noch die ‹anderen› Welten zu verstehen. Deshalb reisen wir.» So poetisch klingen die Worte von Alexey Arapov im Vorwort des Reiseführers Die historischen Denkmäler Usbekistans. Bei Ursula Haller und Reto Vannini geht die Reise vom Herzen der Thuner Innenstadt über die Weiten der russischen Landschaften, auf Schotterpisten durch die Steppen der Mongolei, tief in chinesische Millionenstädte und entlang der Seidenstrasse schliesslich zurück nach Europa.

Text: Iris Lengyel  | Fotos: Ursula Haller und Reto Vannini

Nach intensiven Jahren in der Politik werden Reto Vannini und Ursula Haller in den Jahren 2012 und 2014 pensioniert. Sie kaufen sich ein Wohnmobil und werden vom Reisefieber gepackt. «Wir beide hatten Berufe, die es einfach nicht erlaubten, länger Ferien zu machen. In meinem Fall mit einem Doppel- mandat waren drei Wochen das Höchste der Gefühle. Wir konnten nie eine längere Reise planen und aus diesem Grund war für uns klar, dass wir das Reisen nachholen wollten», erzählt Ursula Haller.

Mit dem Wohnmobil von Thun nach Peking und zurück 

Während rund 200 Tagen reisen Ursula Haller und Reto Vannini mit ihrem drei Tonnen schweren Wohnmobil über die östliche Erdhalbkugel. Das Mystische sei es, das sie Richtung Osten locke. Ausgestattet mit nicht weniger als acht Reisevisa, je zwei gültigen Pässen und beladen mit 500 Kilogramm Gepäck – wobei vor allem Ersatzreifen, Kabel, Schläuche und Abschleppseile auf das Gewichtslimit von 3,5 Tonnen drücken und nicht etwa Ursula Hallers Garderobe ...

Insgesamt 18 Paare aus vier verschiedenen Ländern Europas (Österreich, Italien, Luxemburg, Deutschland und der Schweiz) nehmen an der begleiteten Reise der Agentur Seabridge teil. Die Reise startet in Lettlands Hauptstadt Riga und führt die Gruppe dann weiter über die Route Russland – Mongolei – China – Kirgistan – Usbekistan – Turkmenistan – Iran – Armenien – Georgien – und schliesslich zurück an den Thunersee. Rund 35000 Kilometer sind sie gefahren, was einen Tagesschnitt von etwa 200 Kilometern ergibt. Für Ursula Haller kein Problem: «Die richtig langen Etappen kamen einem wesentlich kürzer vor, denn auf den oftmals schnurgeraden Strassen sind 400 Kilometer gefühlt wie die Distanz Thun-Zürich. Zudem hatten wir immer wieder ‹autofreie› Tage, Zeit zu ausgedehnten Stadtbesichtigungen und fürs Dolcefarniente. Auf dem Land war es vielfach menschenleer. Man fährt stundenlang allein – also nicht etwa im Konvoi! – ab und zu kommt vielleicht ein Bauer auf seinem Eselsgespann entgegen. Dafür ging in den Städten im wahrsten Sinn die Post ab – der Kontrast war extrem. Vor allem in China, wo man kaum kleine Dörfer oder grössere Agglomerationen, sondern meistens Städte mit mehreren Millionen Einwohnern sieht.»

Traumhafte Landschaften – extreme Temperaturen

«Die Landschaften, die man zu sehen bekommt, sind unvorstellbar schön. Beispielsweise die unendlichen, nach Wermut duftenden Weidelandschaften in der Mongolei oder die imposanten Hügel- und Bergzüge in China oder Kirgistan – sie lassen eine Beschreibung nur schwerlich zu. Jeder Mensch, der sich in der Farbenlehre auskennt, wäre hell begeistert zu sehen, welche Farbsymphonie sich hier abspielt. Sämtliche Braun-, Grün-, Ocker-, Rot- und Violetttöne sind vertreten – grandios! Man hat das Gefühl, bei der Faltung der Berge müsse ein wahrer Meister Regie geführt haben. Schroffe, senkrechte Felsen, danach weiche, runde Bergkuppen und Hügelzüge, überzogen mit einer Vegetationssamtdecke in den beschriebenen Farben . Wir mussten neidlos anerkennen, dass es nicht nur in der Schweiz wunderschöne Berge gibt», schwärmt Ursula Haller. «Und vor allem auch höhere», fügt Reto Vannini an, «denn in all den Ländern befindet man sich generell etwas höher. In Kirgistan zum Beispiel können sie gleich noch einen Tausender draufsetzen. Und wenn sie über einen Pass fahren, sind das dann nicht 2300, sondern 4000 Meter über Meer.» Ursula Haller ergänzt lachend: «Wir sind in China über einen 4123 Meter hohen Pass gefahren, da mussten nicht nur wir keuchen, sondern auch der Motor begann zu stottern. Wir kamen aber auch an den tiefsten Punkt unserer Reise, der 43 Meter unter Meer lag – die Höhendifferenzen waren extrem. Auch bezüglich Klima haben wir wirklich alles erlebt, von brütend heiss bis eisig kalt, von sehr trocken bis extrem feucht.»

«Man hat das Gefühl, bei der Faltung der Berge müsse ein wahrer Meister Regie geführt haben.»

Eine Scheibe Brot zum Abschneiden

Beeindruckend ist nicht nur die wunderschöne Landschaft, auch die Herzlichkeit der Bevölkerung erstaunt und erfreut die beiden Reisenden immer wieder. Sie werden willkommen geheissen, eingeladen und beschenkt – von Menschen, die selber fast nichts haben. «Bezüglich Gastfreundschaft können wir uns nicht nur eine, sondern gleich zwei, drei Scheiben Brot abschneiden. Nicht nur hier in Thun, sondern wohl in der ganzen Schweiz», meint Reto Vannini.

Spuren des Kommunismus

In Russland, aber auch in China, gewährt der Staat Sicherheit durch Kontrolle. Die Bevölkerung ist geprägt von der Geschichte der ehemaligen Sowjetunion, und des Kommunismus: «Natürlich haben wir Militärparaden gesehen, es gab sehr viele Polizeikontrollen, vor allem in China standen überall Überwachungskameras. Aber irgendwann, wenn es zum x-ten Mal blitzt, wenn täglich tausende Fotos gemacht werden, nimmt man das einfach gar nicht mehr wahr. Ohne verallgemeinern zu wollen, vielmehr ist dies meine persönliche Wahrnehmung: Wir hatten nicht den Eindruck, dass die Menschen geknechtet werden. Obwohl – vor allem auf dem Land – die meisten sehr arm sind, scheinen sie mit ihrem Leben zufrieden zu sein», sagt Reto Vannini.

Auf der Suche nach dem Glück

Die Reise von Ursula Haller und Reto Vannini lässt nicht nur wunderschöne Erinnerungen zurück, sondern auch Gedanken zu unserer Lebensweise und zum Luxus der westlichen Welt. So resümiert Ursula Haller: «Es wurde uns einmal mehr bestätigt, dass wir in der Schweiz im wahrsten Sinne in einem Paradies leben. Schon nur der Zugang zu sauberem Wasser oder der Besitz von sanitären Einrichtungen sind für viele der angetroffenen Menschen reine Wunschgedanken. Aber man darf nicht vergessen, wie es bei uns vor noch nicht einmal 100 Jahren war: Ein Grossteil der Bevölkerung war arm, man musste hart für jene Errungenschaften arbeiten, von denen wir heute profitieren können. Man vergisst viel zu schnell, dass unser Reichtum nicht selbstverständlich und einfach so gegeben ist. Deshalb hat jeder Mensch unserer Meinung nach das Recht, sein Lebensglück zu suchen. Wenn er in seinem Herkunftsland keine Chance hat, keine Perspektive sieht, keine Hilfe erhält, macht er sich auf den Weg und sucht einen Ort, wo es ihm im Leben vielleicht besser gehen kann. Uns ist es deshalb sehr wichtig, dass wir ein offenes Herz behalten und helfen, wo wir können. Es darf nicht sein, dass wir mit der Einstellung ‹Hauptsache uns geht’s gut› durchs Leben gehen.»

Info

Die ehemalige Thuner Politikerin Ursula Haller war im Jahr 2008 massgeblich an der Gründung der BDP beteiligt. Sie war Stadt- und Grossrätin und amtete zuletzt im Gemeinderat als Vorsteherin der Direktion Bildung Sport Kultur und als Nationalrätin. Im Jahr 2014 wurde Haller pensioniert. Seit 2009 ist sie mit Reto Vannini verheiratet. Auch Vannini mischte als Stadtrat und Präsident der BDP Thun in der Thuner Politik mit.

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