Anita Luginbühl: «Mein Lieblingskraftort auf dem Büel»

Anita Luginbühl: «Mein Lieblingskraftort auf dem Büel»

Anita Luginbühl: «Mein Lieblingskraftort auf dem Büel»

Familien- und Geschäftsfrau, Politikerin mit Interesse an vielerlei Aufgaben für eine prosperierende Wirtschaft und zum Wohl der Allgemeinheit: Dies alles ist Anita Luginbühl – und noch einiges mehr.

Text: Beat Straubhaar

 

In zügigem Schritt gehts bergauf, durch taufeuchtes Gras. Fallende Blätter als erste Anzeichen der kälteren Jahreszeit, unter uns in tiefem Blau der Thunersee. Vorneweg eine Frau mit voller Agenda, unterwegs zu ihrem wichtigsten Kraftort – dem Büel oberhalb Krattigen. Der Wegweiser zeigt die Höhe mit 795 Meter an, eine weit ausladende Linde, darunter ein einladender Tisch. Anita Luginbühl nimmt Platz und meint: «Hier fühle ich mich wohl, hier kann ich auftanken.» 

 

«Ich suchte die Aufgaben nie…»

Anita Luginbühl-Bachmann zählt die wichtigsten, persönlichen Stationen ihres Lebens auf: geboren am 10. Mai 1960, aufgewachsen mit zwei Geschwistern in Steffisburg, Handelsschule, Chemielaborantenlehre, Ausbildung zur Qualitätsmanagement-Auditorin für öffentliche Verwaltungen, 1985 Heirat mit Schreinermeister Fred Luginbühl, dipl. Geschäftsfrau und dreifache Mutter. Den heutigen Bekanntheitsgrad hat sie sich jedoch mit ihrem Engagement in der Politik und mit Öffentlichkeitsarbeit geschaffen. «Ich suchte die Aufgaben nie, habe mich nie verbissen aufgedrängt», betont sie fast entschuldigend. Sie habe im parteienlosen Dorf Krattigen nach einer Bürgerinitiative bei der Realisation eines Kindergartens geholfen und anschliessend Einsitz in die Primarschul- und Kindergartenkommission genommen. «Das Schlüsselerlebnis, die Weichenstellung zur Politikerin, geschah jedoch mit der Anfrage zur Gemeinderätin, Ressort Schule, im Jahr 1997», erklärt Anita Luginbühl. Ihr weiterer Weg ist bekannt: 2000 bis 2006 Gemeinde- und Gemeinderatspräsidentin von Krattigen, 2008 Gründungsmitglied BDP Kanton Bern und seit 2010 Grossrätin, aktuell als Fraktionspräsidentin. 

«Netter Chef» zeigt Verständnis

Am Tisch auf dem Büel, an dem Anita Luginbühl sitzt, steht zu Ehren ihres Schwiegervaters auf einer gravierten Tafel «In Erinnerung an Alfred Luginbühl-Fuhrer 1929–2002». Der Vater ihres Mannes Fred führte den heute 110-jährigen Familienbetrieb, die Schreinerei LUAG, in der zweiten Generation. Anita Luginbühl ist Mitinhaberin und arbeitet täglich halbtags im Büro. «Ich habe einen netten Chef…», lacht sie. Anita und Fred Luginbühl kennen einander seit dem 21. Altersjahr. «Wir haben die Firma gemeinsam weiterentwickelt, unsere Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Er hat Verständnis für meine Tätigkeiten, weil auch er ein politischer Mensch ist», betont sie. Ihre politischen Vorstösse im Grossen Rat zeigen, dass ihr politisches Engagement breit ist. Die rund 30 Motionen und Interpellationen galten zu gleichen Teilen der Wirtschaft, der Umwelt und dem Sozialen. 

«Das Bauen verfolgt mich»

Der Blick vom Kraftort geht Richtung Norden. Zweihundert Meter tiefer liegt Spiez, ein Ort, an dem eine der vielen zusätzlichen «Baustellen» von Anita Luginbühl liegt. Als Vorstandsmitglied des Vereins Solina und Präsidentin der Baukommission stemmt sie hier ein «Riesentütschi», den 60-Millionen-Neubau des Krankenheims, das im Frühling 2016 ganz eröffnet wird. «Das Bauen verfolgt mich, seit ich mich politisch engagiere, angefangen mit dem erwähnten Kindergarten, dann folgten das Schulhaus, das Gemeindehaus und die Sanierung des Mehrzweckgebäudes mit Turnhalle», resümiert sie. Deshalb sei auch nicht verwunderlich, dass sie in einem erst kürzlich angetretenen Amt, im Zentralvorstand Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten VSSM, gleich mit einem Neubau des Verbandssitzes konfrontiert werde.

Wohnhaus nur zu Fuss erreichbar

In erneut zügigem Schritt verlassen wir den lieblichen Büel, von dem aus im 19. Jahrhundert der Schweizer Maler Auguste Baud-Bovy den Thunersee malte. Einen ähnlichen Blick geniesst die Familie Luginbühl seit 1994 auch von ihrem «Adlerhorst» aus, etwas unter dem Büel gelegen. Ums Wohnhaus, das nur zu Fuss erreichbar ist, bimmeln die Glocken der Schafe und Kühe. Doch gibt es im Leben der Anita Luginbühl freie Zeiten, um die schöne Lage und die Ruhe auch zu geniessen? «Ich habe gelernt, Freiräume in die Agenda einzubauen und der Sonntag ist Familientag», erklärt sie. «Meine Freizeit verbringe ich sehr gerne in und ums Haus, im Garten, beim Lesen, bei einem guten Essen und einem Glas Wein.» Sie fahre auch sehr gerne mit dem Mountainbike ihre Runden oder walke im Naherholungsgebiet von Krattigen, erklärt die Sportliche. Aber für was um alles in der Welt steht ein Strandkorb am Biotop im Garten? «Wir fuhren mit meinen Eltern in den Ferien immer ans Meer. Das Wasser, die Wellen, der Sand, die Steine, die Weite – das fasziniert mich noch heute. Den Strandkorb liessen mein Mann und ich anlässlich von Nordlandferien anfertigen», erläutert sie. So sei das Biotop für sie zu einem weiteren Kraftort geworden.

«Schreiben Sie ja nicht, ich sei ein Karriereweib», gibt Anita Luginbühl im Büro der LUAG lachend zu verstehen und spielt damit den Steilpass für den Ausblick in die Zukunft. «Ja, obschon ich weiss, dass ich mich da in ein Haifischbecken begeben würde, könnte ich mir ein Nationalratsmandat vorstellen, damit meine Partei nach Ursula Haller auch weiterhin eine Frau aus dem Kanton Bern im Bundeshaus stellen würde», meint die Politikerin, die erst als 50-Jährige im Grossen Rat Einzug hielt. «Früher wäre ich für dieses Amt nicht bereit gewesen», erklärt sie – die Powerfrau, die ihre politische Arbeit als faszinierende Abwechslung zum Geschäftsalltag sieht und einen «netten» Chef sowie, für alle Fälle, den Kraftort auf dem Büel hat.

«Schreiben Sie ja nicht, ich sei ein Karriereweib.»

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