Lilis Alpbeizli im Justistal

Lilis Alpbeizli im Justistal

Lilis Alpbeizli im Justistal

Lili Jaberg war schon vieles in ihrem Leben: Serviceangestellte, Bäuerin, Kinderbuchautorin und Grossmutter mit Leidenschaft. Vor fünf Jahren hat sie aber einen Arbeits- und Lebensort gefunden, der sie vollkommen glücklich macht: das urchige Alpbeizli im Justistal. Im Gespräch erzählt sie mir mehr darüber, wie es dazu kam, was sie daran fasziniert und warum sie am liebsten für immer dortbleiben würde.

Text:   Carmen Sonderegger  |  Fotos: zvg

Vor fünf Jahren zeigte ein Bekannter Lili Jaberg ein Foto vom urchigen Alpbeizli im Justistal hoch über dem Thunersee. Für dieses Beizli suchte man jemanden, der bereit war, es zu übernehmen. Für Lili war – auch ohne, dass sie das Beizli zuvor in natura gesehen hatte – sofort klar, dass sie es übernehmen will. Trotzdem ging sie noch zur Besichtigung. Zwar musste sie auf dem Weg zur Hütte durch hüfthohen Schnee stapfen, aber das Tal mit seiner Ruhe und seiner Natur zog sie dennoch, oder vielleicht gerade deswegen, in ihren Bann. Der Entschluss stand definitiv fest: Lili Jaberg wird das Alpbeizli übernehmen. Auch die Aussicht darauf, wieder ihre eigene Chefin sein zu können, half bei der Entscheidung. Heute, fünf Jahre später, hat sie hier ein Zuhause gefunden, sie geniesst die Zeit mit ihren vielseitigen und netten Gästen und der Natur. Ursprünglich kommt sie aus dem Seeland und hat dort stets die Berge in der Ferne gesehen, jetzt wohnt sie inmitten von ihnen. Das findet sie toll, ein Leben ohne Berge kann sie sich nicht mehr vorstellen. 

Die Hütte, in welcher heute das Beizli beheimatet ist, steht schon seit 1741. Es ist die ehemalige Sennhütte und sie wurde nach dem Bau einer neuen zur Beiz umfunktioniert, dies war vor 25 Jahren. Seither können hier hungrige und durstige Wandernde, Wildbeobachter und Naturfreunde einkehren und geniessen.

Geöffnet hat Lilis Beizli vom Frühling bis im Herbst. Geschlossen wird, wenn die Brunft der Hirsche vorbei ist und langsam, aber sicher der Winter Einzug hält im Justistal. Zwischen den Saisons verbringt Lili gerne Zeit bei ihren Kindern und Enkelkindern. Sie geniesst es dann, in der Stadt auch mal wieder schöne Stiefel anzuziehen und eine Handtasche mitzunehmen, auch wenn sie diese dann oft irgendwo vergisst, da sie sich nicht gewohnt ist, überhaupt eine dabeizuhaben.



Die Liebe zur Kunst habe ich durch meinen Vater entdeckt.

Das Beizli 

Im Sommer können hier bis zu 40 Gäste draussen die Aussicht bei einer Erfrischung geniessen, drinnen gibt es zwar auch Platz, dieser wird aber meistens nur bei schlechtem Wetter zum Aufwärmen genutzt. In Lilis Beizli gibt es eine einfache Küche: Wein, Kaffe, Trockenfleisch usw., Wanderer sind damit zufrieden. Viele Gäste kommen aber wegen Lilis «Käsebrätel deluxe», die sogar einmal als die weltbesten bezeichnet und so zum Aushängeschild von Lilis Beizli wurden. Immer wieder kommen Gäste hierhin, um die Käsebrätel zu probieren. Bei der Zubereitung und der Warmhaltung von Speisen ist im Alpbeizli Kreativität gefragt, aber Lili Jaberg meistert auch diese Herausforderungen souverän, so entstand zum Beispiel auch das Rezept für die Käsebrätel.

Wer in der Region ums Justistal wandern geht, kommt fast nicht um Lilis Beizli herum. Beliebte Wanderrouten, zum Beispiel vom Niederhorn, vom Beatenberg oder auch der Wanderweg über den Sichelpass ins Eriz, führen bei ihr vorbei.


Herausforderungen 

Das Einzige, was Lili Jaberg stört, sind Besucher, die keinen Respekt vor der Natur haben und keine Rücksicht darauf nehmen. Ohne Bezug zur Umwelt fahren sie mit dem Auto durch, wo man nicht dürfte, und respektieren die Naturschutzgebiete nicht. Solches Verhalten häufte sich leider in letzter Zeit und trifft bei ihr und den anderen Leuten im Justistal auf Unverständnis. Im Herbst kommen viele der Besucher wegen den Hirschen, sie wollen das Röhren während der Brunftzeit hören. Deshalb ist im Herbst viel los im Tal, mehr als zu den anderen Jahreszeiten. Da ist Lili Jaberg jeweils gerade doppelt froh, wenn diese Zeit vorbei ist, sich auch die Sennen mit ihren Kühen von den Alpen verabschieden, und endlich Ruhe einkehrt.

Herausforderungen oder Dinge, die für sie schwierig sind in ihrem Leben auf der Alp, findet Lili Jaberg keine. Alles, was kommt, nimmt sie so an, wie es ist. Gibt es mal kein Wasser, findet man eine Lösung. Sind die Wetterbedingungen schwierig, findet man eine Lösung. Man muss sich eben organisieren, gerade, wenn man etwas abgelegen von der Zivilisation wohnt und nicht bei jedem Problem unkompliziert und schnell Hilfe bekommen kann; man muss sich eben selbst zu helfen wissen. Das Leben im Tal ist einfach und naturbezogen: Es gibt kein warmes Wasser, ein Plumpsklo und manchmal donnern Felsen von den Berghängen hinunter ins Tal. In schwierigen Zeiten hilft man sich hier gegenseitig, so kam es auch schon vor, dass Lili Jaberg bei Engpässen morgens vor der Öffnung der Beiz den Sennen beim Melken der Kühe geholfen hat.


«Der Bär im Justistal» 

 An diesem wunderschönen Ort entstand auch die Idee zum Kinderbuch «Der Bär im Justistal», welches Lili Jaberg für ihre Grosskinder geschrieben hat. Diese verbringen in ihren Ferien sehr gerne Zeit hier, freuen sich aber auch sehr, wenn das Grosi, während das Beizli geschlossen ist, bei ihnen zu Besuch kommt. Natürlich muss das Grosi bei den Besuchen immer Geschichten erzählen, und dies hat Lili Jaberg genutzt, um den Ort im Justistal und ihre eigene Naturverbundenheit weiterzugeben, damit auch folgende Generationen Freude daran haben können. Nach unserem Gespräch verlassen wir das Café und kommen an einem Reisebüro vorbei. Lili sagt zu mir: «Weisst du, andere Leute müssen Ferien buchen …», das hat sie nicht nötig. Mit ihrem Alpbeizli hat sie ihren Herzensort gefunden, und hoffentlich kann sie hier noch in 30 Jahren Käsebrätel an hungrige Wandernde verkaufen.






Buchtipp

Der Bär im Justistal

Autoren: Lili Jaberg, Ueli Mürner
28 Seiten, 28,7 × 21,5 cm, ­gebunden, Hardcover
Mit 17 Abbildungen. ISBN 978-3-03818-303-7
CHF 25.–/EUR 20.–  

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Kontakt
Lilis Alpbeizli
Justistal
3655 Sigriswil


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