Hanspeter Latour: Bubentraum  wurde wahr

Hanspeter Latour: Bubentraum wurde wahr

Hanspeter Latour: Bubentraum wurde wahr

Hanspeter Latour blickt auf eine lange und erfolgreiche Aktiv- und Trainerkarriere zurück. Die Erfüllung seines Bubentraumes, der Aufstieg mit «seinem» FC Thun in die oberste Liga, war das höchste der Gefühle. 

Text & Fotos: Beat Straubhaar

Hanspeter Latour ist im Fussball zum Begriff geworden. Den Einsätzen als Goalie beim FC Thun, FC Le Locle Sports und bei den Berner Young Boys folgte eine aussergewöhnliche, 35 Jahre dauernde Trainerkarriere mit elf Stationen bei acht Vereinen. Sein Wirken und seine Erfolge bei Spitzenvereinen mit Tradition wie dem FC Basel, dem Grasshopper Club Zürich und dem 1. FC Köln gehören heute zu Latours besten Erinnerungen. Seinen langgehegten Bubentraum erfüllte er sich aber am Thunersee: mit dem Aufstieg des FC Thun in die Nationalliga A. Nicht wie geplant als Spieler, aber als Trainer.


Fussball aus Leidenschaft

Latours Leidenschaft für den Fussball wurde in jungen Jahren geweckt. Sein Vater nahm ihn 1954 mit an die Spiele des FC Thun ins eben erbaute Lachenstadion. Die Fussball-Weltmeisterschaft in Bern im gleichen Jahr und 1955 der FC Thun als Cupfinalist waren für den fussballbegeisterten Jungen wegweisende Ereignisse. Ab sofort investierte er noch mehr in den Fussball, um Erfolg zu haben. «Ich wollte ebenfalls so spielen können wie die damaligen Stars im Wankdorf und im Lachenstadion und eine solche Begeisterung entfachen, wie ich es damals am Radio hörte und unter der Bevölkerung spürte», erklärt Latour rückblickend. So übte er in jeder freien Minute mit dem Ball – er wurde Balljunge, Junior, stieg auf in die Junioren-Nationalmannschaft und ins Fanionteam des FC Thun. Seinen Bubentraum, einmal mit dem FC Thun in der obersten Liga zu spielen, konnte er sich vorerst nicht erfüllen, da die Thuner zu diesem Zeitpunkt eine Durststrecke in unteren Ligen durchliefen.

«Fleiss, Mut und Glück», das Lebensmotto von Hanspeter Latour, sollte sich auch in der Zeit von 2001 bis 2005 bewahrheiten. In dieser zweiten Zeit als Thun-Trainer nahm er einen weiteren Anlauf, seinen Traum zu erfüllen und die Thuner in die Nationalliga A zu führen. Aus diesen Jahren sind viele Episoden bekannt, wie der Trainer mit unkonventionellen Methoden eine verschworene und schlagkräftige Elf formierte. Er zeichnete mit den Spielern Visionen, liess sie die wichtigsten von Thun aus sichtbaren Berggipfel aufzählen, erteilte bei Regenerationsläufen im Bonstettenpark auch Baum- und Vogelkunde, bezog mit den Fussballprofis im Eriz ein Zeltlager oder lief nach schlechten Resultaten mit dem Team durch die Autowaschanlage im Gwatt. «Wir hatten eine tolle Truppe zusammen, der Teamgeist war schlicht gross- artig – was mir von den damaligen Spielern noch heute immer wieder bestätigt wird», unterstreicht Latour.

 

Stolperstein in der Aufstiegssaison

Aus dem Fussballtrainer wurde ein Motivationstrainer, dem es gelang, den FC Thun aus der Nationalliga B an die Spitze der Super League und an die Schwelle zur Champions League zu führen. Wie Hanspeter Latour nicht nur Kraft und Motivation in der Natur fand, sondern in ihr auch Frust abbaute, zeigt eine Episode aus dem Sommer 2001. Der FC Thun, auf Rang 3 sehr gut platziert, musste am 31. Juli beim Zweitletzten der Challenge League, beim FC Vaduz, antreten. Eine klare Sache, könnte man meinen, doch weit gefehlt. Die Thuner wurden im «Ländle» kalt geduscht und mit einer 4:1-Niederlage nach Hause geschickt. Des Trainers Laune war im Keller. Nach den üblichen Arbeiten im Stadion zurück in Thun machte er sich sofort zur Frustbewältigung ins Ferienhaus auf. Seiner Frau Thilde und der Schwiegermutter hatte er versprochen, sie an die 1.-August-Feier im Innereriz zu begleiten. Doch sein Gemütszustand liess ein Feiern nicht zu, er musste, um die Niederlage zu verdauen, alleine sein. Die Damen gingen zur Feier, Hanspeter Latour zog es ins Bachbett des Sulzigrabens, der sich von der Sichle her unter den Sieben Hengsten hindurch ins Eriz zieht. Hier entdeckte Latour am Bachbettrand den Wurzelstock einer Fichte, in dem er sofort ein Gestaltungselement für seinen im Entstehen begriffenen Naturgarten sah. Mit der Wut im Bauch über das schlechte Spiel vom Vortag begann er am Wurzelstock zu reissen, um ihn in eine günstige Lage für den Abtransport zu bringen. Doch plötzlich geschah das Malheur. Der Stock drehte sich, fiel auf Latour zu und eine der spitzen Wurzeln brach ihm den grossen Zeh. Der Frust vom Spiel wurde abgelöst von der Frage, wie er sich mit dem geschundenen Fuss wohl zur Geissegg schleppen und sich anschliessend in Thun beim Mannschaftsarzt untersuchen lassen konnte. 

Den Wurzelstock holte er sich mit vereinten Kräften später doch noch, und als Fazit meint Hanspeter Latour: «Mein etwas krummer Zeh sieht heute immerhin noch besser aus als der überwachsene Wurzelstock in unserem Garten!»  


Aufstieg nach 47 Jahren 

Am 7. Mai 2002 erfüllte sich Latour seinen Bubentraum. Das alles entscheidende Aufstiegsspiel gegen Winterthur brauchte nochmals Nerven, es war ein Fernduell gegen den Mitstreiter FC Aarau, der zuhause gegen Xamax Neuenburg spielte. Milaim Rama erzielte für die Thuner das 1:0, doch zu diesem Zeitpunkt führten die Aarauer bereits 2:0. Dank Frédéric Chassot, der in Aarau kurz vor Schluss auf 2:1 verkürzen konnte, waren die Thuner wieder besser dran. Für Hanspeter Latour verliefen die letzten Spielminuten wie in einem Traum. «Ich war gedanklich nicht mehr im Stadion», meint er rückblickend. Vermutlich habe ihn sein Bubentraum eingeholt und liess all die Jahre, die Anstrengungen und besonderen Momente wie eine Diashow an ihm vorbeiziehen. Als Schiedsrichter Meier den Match im Lachenstadion abpfiff, war Latour wieder in der Realität angekommen und der FC Thun nach 47 Jahren zurück in der Nationalliga A. Die Begeisterungswelle schwappte auf die ganze Region über, aus der ganzen Schweiz trafen Gratulationen ein. Thun wurde wahrgenommen – aus dem Trainer und Motivator Latour war ein Tourismusfachmann und Marketingexperte geworden. Wie es sich gehört, bedankte er sich später bei Chassot, der das für Latour und Thun so wichtige Tor für Xamax schoss. 

«Mi Buebetroum isch i däm Momänt wahr worde.»

Nachhaltige Nacht- und Nebelaktion

Das Ziel für die Saison 2003/2004 legten die Mannschaft und Hanspeter Latour gemeinsam auf einem eigens dafür gebuchten Thunerseeschiff der BLS mitten auf dem See fest. «Eine verrückte Geschichte, die Idee kam mir in der Nacht, und am Morgen um sieben Uhr bestellte ich das Schiff.» Weil Latour die damaligen Verantwortlichen kannte, legte das «Thunerli» um 10 Uhr mit dem Team ab. Symbolisch sprangen dabei zwei Spieler ins Wasser und wurden nicht im Stich gelassen. Die Mitspieler warfen den Rettungsring und halfen bei der Bergung! Es war eine «Nacht- und Nebelaktion», die nachhaltig war. «Rückblickend bin ich eigentlich erstaunt, was durch die Leidenschaft alles möglich war. Gelitten haben wohl vor allem die Leute um mich herum, welche diese kurzfristigen, spontanen Aktionen zu organisieren hatten», meint der 66-jährige Thuner. Doch was sich dabei alles bewegte und entstand, war für Thun und das Oberland nicht unwichtig.


Der interessierte Naturbeobachter

Hanspeter Latours Abgang aus seinem Trainerberuf war leise. «Grundsätzlich hätte ich nach meinem letzten Trainerengagement in Pension gehen können. Mir und meiner Frau ging es in jeder Beziehung gut. Aber einen grossen Traum hatte ich noch!», erzählt der Erfolgstrainer in seinem eben erschienenen Buch «Hanspeter Latour – Geschichten aus seinem Leben, mit und ohne Ball». Auf einem Stück Land vor seinem Ferienhaus im Innereriz liess er sich einen grossen naturnahen Garten anlegen. Dabei gab es verschiedenste Hürden zu nehmen – nicht nur jene mit dem Wurzelstock aus dem Sulzigraben… 

Neben seinen Engagements für Radio und Fernsehen avancierte Hanspeter Latour im Anschluss an seine Trainerkarriere zum heute gefragten Referenten und Motivationscoach. Doch immer mehr zieht es ihn als interessierten Beobachter und Kenner in die Natur, in sein Kleinod mit der grossen Artenvielfalt, zum Erleben des Augenblicks – dem Schlüpfen der Libellen beiwohnend, die Entwicklung des Froschlaichs beobachtend oder mit der Kamera den scheuen Distelfinken nachstellend. Das Wort «jetzt» war und bleibt für Hanspeter Latour immer wichtig und zentral. Seine Bedeutung spornt ihn an. Jetzt, nicht gestern und nicht morgen. Jetzt bedeutet für ihn leben, erleben, bewegen, entscheiden, arbeiten und geniessen. Und fit bleiben…

Buchtipp

«Das isch doch e Gränni!»

Autor: Beat Straubhaar & Philipp Abt
248 Seiten, 14 x 21 cm, broschiert, Softcover
Mit 134 Abbildungen
ISBN 978-3-03818-043-2 CHF 19.90 / EUR 19.90 

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