Von der Töpferscheibe bis zum Bildschirm

Von der Töpferscheibe bis zum Bildschirm

Von der Töpferscheibe bis zum Bildschirm

Der Schreibende versteht von PCs ungefähr so viel wie eine Simmentaler Kuh vom Klavierspielen: nichts. Man braucht deshalb keine grosse Fantasie, um sein Staunen ob den Kenntnissen von Walter Jakob nachvollziehen zu können, vor allem, wenn man weiss, dass Walter Jakob in der Thuner Sonnmatt 91-jährig ist.

Text: Thomas Bornhauser  |  Fotos: Thomas Bornhauser, zvg

 

Seit ziemlich genau elf Jahren wohnt er in der Sonnmatt, die ersten vier Jahre noch zusammen mit seiner Frau Margrit, die 2010 verstorben ist. «Nach meiner Trauerzeit wusste ich, dass ich etwas machen musste, um Abwechslung und Struktur in meinen Alltag zu bringen», sagt Walter Jakob, dessen Wohnung einen grossartigen Blick auf die Berge ermöglicht.

 

 

Vom Töpfer zum… Bundessekretär

Geboren ist Walter Jakob, mit Heimatort Lauperswil/BE, in Grabs/SG, schon bald aber zügeln seine Eltern zuerst nach Winterthur, 1937 dann nach Seftigen, wo er auch die Sekundarschule Wattenwil besucht. Erlernt hat er den Beruf eines Töpfers. «Schreiben Sie aber ohne schlechtes Gewissen Keramiker, das entspricht dem Berufsbild besser.» Nach der Lehrzeit findet er eine Stelle bei der Töpferei Burri in Uetendorf, mit einem anfänglichen Monatslohn von 490 Franken. Zwischen Rekruten- und Unteroffiziersschule, die er als Spielführer abschliesst, kehrt er wieder zurück nach Uetendorf. Dort wird er zum Werkstattchef befördert und hat neu einen Monatslohn von 540 Franken.

Nach dem Tod des Schwiegervaters übernimmt er 1952 für drei Jahre ein kleines Lebensmittelgeschäft in der Hohmadstrasse 18 in Thun. Zuvor, sonst gäbe es ja keinen Schwiegervater, heiratete er 1949 Margrit, ein Jahr später wird Hans-Peter geboren. Dessen Bruder Jürg kommt drei Jahre später zur Welt, Schwester Ursula 1959. Die Anstrengungen von Margrit und Walter, den Umsatz zu steigern, sind mit Erfolg gekrönt. Trotzdem reicht es für eine gesicherte Existenz einer Familie nicht aus. So ergreift Walter Jakob das Angebot eines Onkels, seine Biskuitfabrik als Aussendienstmitarbeiter in der Region Emmental zu vertreten. Er fährt dafür mit einem alten, klapprigen VW-Käfer zwei bis drei Tage im Monat von Lädeli zu Lädeli und verkauft die Biskuits mit Erfolg. 1955 bittet der Onkel Walter, das ohnehin nicht rentable Lebensmittelgeschäft aufzugeben und bei ihm zu 100% einzusteigen. 1960 wechselt Walter Jakob nochmals, für acht Jahre zur SAIS-Astra, die dem Unilever-Konzern angehört.

…und zum Hoteldirektor 

Seit längerer Zeit schon wirkt er ausserberuflich als Mitglied der Bundesleitung Freier Evangelischer Gemeinden FEG, einer Freikirche, mit. Dort wird ihm 1968 eine Stelle als vollzeitlicher Sekretär für die Schweiz angeboten, mit Arbeitsplatz in Thun. Während dieser Tätigkeit, die er sieben Jahre ausübt, erwirbt der Bund FEG das Hotel Bellevue au Lac in Hilterfingen. Margrit – «Ohne ihre unglaubliche Unterstützung hätte ich keine meiner verschiedenen Arbeiten bewältigen können» – und er helfen dort bei Personalmangel aus, sodass sie beide das Leben eines Hoteliers kennenlernen. Als im Sommer 1976 ein neuer Hotelleiter gesucht wird, bietet der Verwaltungsrat Walter Jakob diese Stelle an, sozusagen als vorübergehende Notlösung. Im Winter 1976/77 absolviert er als 50-Jähriger die zehnwöchige Schule in Bern zum Erwerb des Fähigkeitsausweises zur Führung eines Gastwirtschaftsbetriebs. Während 15 Jahren führen seine liebe Frau und Walter Jakob das Hotel Bellevue au Lac. «In dieser Zeit beschäftigten wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus zwanzig verschiedenen Nationen! Es war die überaus interessanteste, zugleich aber auch die intensivste Zeit meines Lebens», sagt er rückblickend.

Familienstammbaum und Fotoalben 

Mit 64 legt er sich zu seiner Pension «aus Gwunder» einen einfachen PC zu, will im Ruhestand am Puls der Zeit bleiben. «Ohne die Hilfe unserer Kinder hätte ich das aber nie geschafft. Sie waren es, welche die Kiste nach Abstürzen wieder zum Laufen brachten», erzählt er mit Schalk in den Augen. Überhaupt sind seine beiden Söhne und seine Tochter eine wirkliche Unterstützung und Lebenshilfe, vor allem, als es seiner Frau Margrit gesundheitlich nicht mehr gut geht.

Vor sechs Jahren – nach dem Tod seiner Margrit – kommt der grosse technische Wechsel. Jürg meinte: «Mein PC ist veraltet, ich muss etwas Neues haben, etwas Modernes.» Gesagt, getan; wenig später steht ein neuer Mac auf dem Arbeitspult. Jürg hat das gleiche Modell, kann seinen Vater also Schritt für Schritt an diese neue, grosse Herausforderung heranführen. Mit Erfolg. Mit berechtigtem Stolz zeigt Walter Jakob eine Art Lebenswerk: Unter dem Titel «Erinnerungen» hat er sein Leben niedergeschrieben, aber nicht einfach 08/15. Das Werk ist hervorragend gestaltet, vom Layout her, mit vielen eingefügten Fotos. Schlicht …grossartig! Im Grunde genommen gehört der Mac zu seinem Leben wie der tägliche halbstündige Spaziergang, den Walter Jakob unternimmt, um dem Tag Strukturen zu geben. Im Mac ist alles gespeichert, was Walter Jakob für den Alltag benötigt: Adressen, Telefonnummern, Geburtstage – sogar die Zahlungen erledigt er mit E-Banking.

Der Mac ermöglicht es Walter Jakob auch, Musik zu hören. Er, der er lange Jahre Dirigent des 40-köpfigen Chors der Freien Evangelischen Gemeinde war, bevorzugt Klassik: Mendelssohn, Bach oder Mozart. «Wagner oder Bruckner sind mir zu schwer», sagt Walter Jakob und macht sich daran, auf dem Mac den nächsten Männer-Treff vorzubereiten, den er jeden Monat einmal leitet.

«Ohne die Hilfe unserer Kinder hätte ich das aber nie geschafft. Sie waren es, welche die Kiste nach Abstürzen wieder zum Laufen brachten», erzählt er mit Schalk in den Augen.

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