Unter Dampf!

Unter Dampf!

Unter Dampf!

Thun ist das Tor zum Berner Oberland, das Restaurant Dampfschiff ist das Tor zur Alltagsflucht und eine unkomplizierte Oase zum Lachen, Essen und Trinken.

Text & Fotos: Beat Straubhaar

Das Menü wird mit der Schablone angerichtet. Bemühte Arrangements von «in», «an» und «auf» lassen den passionierten Beizengänger aufseufzen. Abkassieren und quälen, scheint die Devise zahlreicher Newcomer-Beizen zu sein. Zum Abschluss des Abends folgt die Gockelrunde, bei der sich der sich selbst überschätzende Milchbart mit grauer Kochjacke gekünsteltes Lob abholt. Wollen wir das? Vor dem Haus steht der geleaste Schlitten, 200 PS stark, der zu allem taugt, nur nicht dazu, einen Sack Kartoffeln beim Bauern zu holen. Alles wirkt unecht, als gelte es, der Versace der Kochtöpfe zu sein. Auf dreieckigen Tellern wird das Kartoffelpüree drapiert, im rechten Winkel dazu der Randenstroh platziert und im Goldenen Schnitt das Fleischtürmchen konstruiert, bei dem das Infusionsgeschirr für die vier als Rhomben angeordneten Saucentropfen gleich mitgeliefert wird. Wollen wir das wirklich? 


Stopp! Nochmal von vorn

Dass es auch anders geht, dass mit Verstand statt mit Chemie und Baukasten gekocht wird, beweisen einige Jungköche, die ihr Handwerk lieben und vor allem verstehen. Stille Macher, die in der Küche bleiben, lieber praktisch kochen als theoretisch philosophieren. Köche, die sich nicht scheuen, zwölf Stunden am Herd zu stehen, und die sich nicht von kulinarischen Snobs irritieren oder einlullen lassen, sondern ihre Kochsprache erweitern und pflegen. Kurz, es geht um Köche, nicht um Schaumschläger. Bratkünstler, die nicht über die Physiologie des Geschmacks faseln, sondern Geschmack auftischen. 

So ein Talent kocht seit Juni 2014 im neu zum Leben erweckten Restaurant Dampfschiff in Thun. Lukas Marti ist einer dieser stillen Macher, der, bevor es ihn nach Thun zog, in Bern und Neuseeland an seinem Können feilte. Fasziniert habe ich ihm über die Schulter geschaut und seine Gerichte mit Respekt, Neugierde und mit viel Lust weggeputzt. Dabei wurde mir keine Alchemie vorgesetzt, sondern purer Genuss. Das verdient Anerkennung. Denn die Gastronomie ist ein hartes Geschäft. Kochen ist, wie Gäste betreuen, ein Knochenjob. Ich erzähle hier von zwei Könnern, die mit Herzblut ans Werk gehen und die sich vor nichts scheuen. Applaus!

Mit oder ohne Krawatte

Simon Burkhalter, der Geschäftspartner von Lukas Marti, ist ein umtriebiger, zuvorkommender und freundlicher Gastgeber. Egal wer am Tisch sitzt, er behandelt alle gleich. Sein Service ist perfekt, ausgewogen und von natürlicher Herzlichkeit. Wer sich in seine Hände begibt, kann sich entspannen und den Augenblick in vollen Zügen geniessen. Ein junger Profi mit Hotelfachabschluss, der die innovative und exakte Küche von Lukas Marti optimal ergänzt. Den Rest besorgen Lage und Patina des Dampfschiffs, dessen Besitzer, der Architekt Rolf Lemberg, bei der Auswahl seiner neuen Pächter viel Gespür zeigte. 

Bei meinem Besuch staunte ich über das Limettendressing und die subtilen Finessen beim Carpaccio von zweierlei Forellen und ich freute mich beim Zwischengang über das Zitronenkräuter-Couscous und über die perfekt sautierten Felchenfilets. Beim Hauptgang, der aus einem butterzarten Lammnierstück mit einem Kichererbsenküchlein bestand, überraschte der freche Minzenjus, genauso wie bei der Erdbeertrilogie der intensive Eigengeschmack des Grundprodukts. Den Abschluss bildete eine kleine, von Lukas Marti in der Küche vorselektionierte Auswahl an feinen Rohmilchkäsen des jungen Unternehmens Jumi aus Boll, das unter anderem auch das britische Königshaus beliefert. Und sonst? Den Käse würde ich gerne als Ganzes auf einem Brett am Tisch aussuchen, und im Keller dürften mehr Schweizer Weine liegen, zumal die Provenienzen von Lokalmatador Matthias Rindisbacher einen dazu animieren, mehr heimischen Rebensaft zu trinken. Dennoch, die Weinauswahl ist durchdacht, zwei weisse Provenienzen aus Italien und Portugal fallen mit ihren mineralischen Noten angenehm auf. 

Seit der Schulbank 

Lukas Marti und Simon Burkhalter sind in den benachbarten Dörfern Mühlethurnen und Rümligen aufgewachsen. Ihre Wege kreuzten sich vor dreizehn Jahren. Während drei Jahren drückten sie zusammen die Schulbank in Riggisberg. «Seither verbindet uns eine Freundschaft. Und schon damals dachten wir vage über eine gemeinsame berufliche Zukunft nach, die wir nun, zehn Jahre später, im Restaurant Dampfschiff umsetzen», sagen beide Gastronomen unisono. Der perfekte Schlusssatz für zwei Jungunternehmer in einer nachhaltigen Geschichte. 

Zwei Partner, die sich optimal ergänzen. Den Rest besorgen Lage und Patina des Dampfschiffs.

Kontakt
Dampfschiff
Hofstettenstrasse 20
3600 Thun
Telefon 033 221 49 49
www.dampfschiff-thun.ch 

Öffnungszeiten: 
Mittwoch bis Sonntag:
von 11.00 – 23.30 Uhr geöffnet.