Grand Hotel Thunerhof in Thun… es war einmal

Grand Hotel Thunerhof in Thun… es war einmal

Grand Hotel Thunerhof in Thun… es war einmal

Viele, die heute ein Büro im Verwaltungsgebäude Thunerhof der Stadt Thun oder eine Ausstellung im Kunstmuseum Thun, das ebenfalls im Thunerhof untergebracht ist, besuchen, wissen es nicht: Eröffnet wurde der Thunerhof 1875 als Hotel und 1939 wurde die letzte Hotelsaison eingeläutet. Höhen und Tiefen haben die Geschichte des Thunerhofs geprägt.

Text: Jon Keller | Fotos: Christine Hunkeler, zvg

«Hebung Thuns als Fremdenort»

Am Anfang der Geschichte des Grand Hotels Thunerhof stand eine Idee besten Stadtmarketings, um einen Ausdruck unserer Zeit zu verwenden. 1869 wurde mit Geldmitteln der Thuner Burgergemeinde die Baugesellschaft Thun AG gegründet, deren Maxime und Ziel die «Hebung Thuns als Fremdenort» war. Im Gebiet Thun-Hofstetten, das damals zum Teil zur Einwohnergemeinde Goldiwil gehörte, wurde am Ufer der Aare durch den bekannten Berner Architekten Adolphe Tièche das Grand Hotel Thunerhof im Stil der französischen Neurenaissance erbaut. Im Juni 1875 wurde die Nobelherberge mit viel Pomp eröffnet.

Mit Luxus und Komfort verwöhnte Hotelgäste

Der Thunerhof war ein Etablissement der Luxusklasse. In rund 100 Zimmern mit ungefähr 200 Betten wurden die Gäste verwöhnt. Im Erdgeschoss befanden sich der grossflächige Speisesaal mit aufwendigen Decken- und Wandmalereien, weiter ein Salon de Réunion, in dem in angeregten Gesprächen Gesellschaft gepflegt werden konnte, ein Lesezimmer, ein Damenzimmer, ein Billardzimmer, und auch ein Salon de Fumoir und eine American Bar durften nicht fehlen. Vielen Gästezimmern in den oberen Stockwerken waren separate Bade- und Toilettenzimmer (mit «Water Closets») angegliedert, für damalige Hotelverhältnisse keine Selbstverständlichkeit. Auserlesen war die ganze Inneneinrichtung: edle Parkettböden, Spiegel mit Goldrahmen, schmucke Teppiche, zierliche Möbel und kunstvolle Leuchter für die Gasbeleuchtung, die Ende des 19. Jahrhunderts durch das elektrische Licht abgelöst wurde, eine damals viel beachtete Nouveauté. Von beeindruckender Grösse waren die zentrale Eingangshalle und das Treppenhaus mit Säulen, Galerien und fein gearbeiteten Eisengeländern. Dieses Treppenhaus war strikt nur für die Benutzung durch die Hotelgäste vorgesehen. Die Dienerschaft und die Angestellten mussten mit zwei separaten, sehr dunklen, engen Treppenhäusern vorliebnehmen. 

Der erste Lift im Berner Oberland

Ein Lift, es war der erste im Berner Oberland, nahm den Gästen das Treppensteigen ab. Ein mehrköpfiges Kurorchester spielte nicht nur im Thuner Kursaal, der 1896 eröffnet wurde, sondern auch im Thunerhof auf der gedeckten Aareterrasse: Walzer, Foxtrott, lüpfige und melancholische Weisen wurden gespielt. Im Park des Hotels erfreuten Rosen und Springbrunnen die lustwandelnden Gäste. 1893 wurde im nördlichen Gartenteil ein Platz für das bis anhin in Thun noch unbekannte englische Spiel «Lawn Tennis» eingerichtet. Der Gast im Thunerhof war König und wurde rund um die Uhr bestens betreut und verwöhnt.

Bau-Budget massiv überschritten

Die ersten Jahre des Grand Hotels Thunerhof indessen standen unter einem unglücklichen Stern. Das Budget für den Bau wurde um sage und schreibe 700000 Franken überschritten, für damalige Zeiten eine horrende Summe. Zudem spürte man negative Nachwirkungen des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71, und der erste Hoteldirektor, Friedrich Weinmann, war seiner Aufgabe nicht gewachsen. Der Baugesellschaft drohte deshalb bereits 1878 der Konkurs, der nur mit viel Geld der Einwohnergemeinde Thun und der Burgergemeinde Thun abgewendet werden konnte. Die zahlreichen Gläubiger konnten mit Teilsummen ihrer Ausstände abgefunden werden. Der Hotelbetrieb wurde, nolens volens, von der Stadt Thun übernommen, die nun einen Hotelpächter einsetzte. 1895 stimmte dann die Versammlung der Einwohnergemeinde Thun dem Verkauf des Thunerhofs an die AG Hôtels Thunerhof und Bellevue zu.


Auserlesen war die ganze Inneneinrichtung: edle Parkettböden, Spiegel mit Goldrahmen, schmucke Teppiche, zierliche Möbel und kunstvolle Leuchter für die Gasbeleuchtung.

Fin de Siècle – die Glanzzeiten im Thunerhof

Das goldene Zeitalter, die Aurea Aetas, waren für das Grand Hotel Thunerhof unstreitig die Zeit des Fin de Siècle des 19. Jahrhunderts, die Belle Epoque, und die Jahre bis 1914, als der Erste Weltkrieg ausbrach. Gäste aus Adelskreisen, der Hochfinanz und der Grossindustrie aus aller Welt stiegen im Thunerhof zuhauf ab und wussten den Luxus des Hotels, aber natürlich auch die liebliche Gegend mit Thunersee und malerischer Thuner Altstadt sehr zu schätzen. Der Hotelbetrieb im Thunerhof konnte bis 1914 sehr gute Saisons verbuchen. 1886 etwa wurden 13 996 Übernachtungen vermeldet und 1907 mussten neu ankommende Gäste in anderen Hotels untergebracht werden, da der Thunerhof zeitweise gänzlich ausgebucht war. Das Jahr 1911 – eine Rekordsaison – brachte der Thunerhof AG einen Reingewinn von 10 000 Franken. 

Letzte Hotelsaison: 1939

In der Zwischenkriegszeit mit der Weltwirtschaftskrise und dem Börsencrash von 1929 konnte der Hotelbetrieb nur mühsam und meist mit Verlusten aufrechterhalten werden, bis dann mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges für das Grand Hotel Thu- nerhof die Totenglocke schlug: 1939 war die letzte Saison. Im Mai 1942 beschlossen dann die Thuner Stimmbürger, die Hotelbesitzung Thunerhof, Bellevue und Du Parc käuflich zu erwerben. Der Preis betrug für die Gebäude 350000 Franken und für Umbauten und Neueinrichtungen 450 000 Franken. 

Heute Stadtverwaltung und Kunstmuseum

In der Folge waren im Thunerhof verschiedenste Institutionen untergebracht: kantonale Steuerveranlagungsbehörde, Zivilstandsamt, militärische Abteilungen, Berufsberatung, Frauenarbeitsschule, Tuberkulose-Fürsorgestelle, ein Möbelgeschäft, ja sogar Boxräume. Zudem wurden im Thunerhof Wohnungen eingerichtet, mit welchen der damals grassierenden Wohnungsnot gegengesteuert werden konnte. 1972 sprach dann der Thuner Stadtrat einen Kredit für die Einrichtung des Thunerhofs als Verwaltungsgebäude. So finden sich heute im Thunerhof die Finanzverwaltung, das Amt für Bildung und Sport, das Finanzinspektorat, die Abteilung Sicherheit, die Abteilung Soziales und das Kunstmuseum Thun.