Goldiwil –  einst renommierter Wintersportkurort

Goldiwil – einst renommierter Wintersportkurort

Goldiwil – einst renommierter Wintersportkurort

Goldiwil war bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges ein renommierter und schweizweit bekannter Wintersportkurort. Skirennen und Skispringwettbewerbe und auch Schlittelrennen wurden organisiert.

Text: Jon Keller | Fotos: zvg

In der Zeit vor dem von 1914 bis 1918 andauernden Ersten Weltkrieg galt Goldiwil ob Thun als renommierter Wintersportkurort, der von gleicher Bedeutung war wie andere Destinationen im Berner Oberland, also etwa wie Grindelwald, Wengen, Adelboden oder Mürren. Der damals sehr bekannte britische Skisportpionier Sir Henry Lunn war es, der Goldiwil in einer Publikation als «ideales Wintersportgebiet» bezeichnete und damit in der ganzen Schweiz bekannt machte, sodass die Ortschaft bald Sportbegeisterte von überall herlockte.

Schneesicher

In der Regel galt Goldiwil damals mit seinen rund 1000 Metern über Meer als schneesicher und Winter mit eklatantem Schneemangel waren nur selten zu verzeichnen. Das Phänomen der Klimaerwärmung war eben damals noch kein Thema. Dem Skisport wurde in Goldiwil ausgiebig gefrönt, und zwar vor allem im Gebiet der Winter- egg, die somit ihrem Namen alle Ehre machte. Ein erfolgreiches Goldiwiler Geschäft machte sogar mit einem Inserat auf sich aufmerksam, da dort Skis zum Verkauf oder zum Mieten angeboten wurden. Auch Skikurse wurden dem Publikum regelmässig angeboten, ja eine eigentliche Skischule wurde auf die Beine gestellt. Sehr initiativ zeigte sich damals auch der Wintersportklub Goldiwil, der später im Skiklub Goldiwil aufging. Gerade auch die Förderung von jungen Skibegeisterten stand damals ganz oben auf dem Programm der Aktivitäten.

Schanzenrekord beim Skispringen

Auch in der Zwischenkriegszeit und namentlich in den 1930er-Jahren wurde in Goldiwil ein sehr reger Skisport betrieben. Diverse Skirennen standen damals im Laufe der Saison auf dem Jahresprogramm. In verschiedenen Disziplinen wurden jeweils Meisterschaften durchgeführt und Meister erkoren: in Abfahrt, Slalom und in der diesbezüglichen Kombination, aber auch im Langlauf und im Skispringen auf der Goldiwiler Sprungschanze und auch hier in der Kombination. Viele Zuschauerinnen und Zuschauer vermochte jeweils das Schanzenspringen zu begeistern. Auf der doch recht kleinen Schanze wurden beachtliche Weiten erzielt, wobei der Schanzenrekord 47 Meter betrug.


Grossaufmarsch von Zuschauern

Die Rennen waren jeweils ein Publikumsmagnet und erlebten einen Grossaufmarsch an Zuschauern. So wurden 1935 an einem Renntag mit einem Autobuspendelbetrieb von Thun nach Goldiwil und zurück in 60 regulären und zusätzlichen Buskursen 1834 Personen befördert – für damalige Zeiten eine sehr respektable Zahl.

In der Regel galt Goldiwil damals mit seinen rund 1000 Metern über Meer als schneesicher.

Engländer geniessen das «Toboggan»

Auch der Schlittelsport und die Schlittelrennen standen vor hundert Jahren in Goldiwil hoch im Kurs. Damals war die Schlittelstrecke von Goldiwil hinunter nach Thun auf der Goldiwilstrasse ein eigentliches Schlittel-Eldorado. In der damaligen Thuner Tagespresse war denn auch von der «denkbar idealsten Anlage für diesen Sport» die Rede. Nicht zuletzt natürlich auch deshalb, weil in jenen Tagen nur ein sehr spärlicher Autoverkehr herrschte. Bis 1917 brauchte es gar eine kantonale, durch den Regierungsrat ausgestellte Bewilligung für das Befahren der Goldiwilstrasse mit dem Automobil. Ärzte und Gemeinderäte beispielsweise erhielten eine derartige Konzession. Oft wurde in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg die Goldiwilstrasse an Sonntagen für organisierte Schlittelrennen für den Autoverkehr gesperrt, um die Schlittler vor Unfällen zu bewahren. 
 

Schlimme Unfälle

War sie nicht gesperrt, waren indessen Unfälle immer wieder zu verzeichnen. Beinbrüche, Quetschungen und Schürfungen waren in der Folge nicht selten, aber auch sehr schwere Unfälle waren zu verzeichnen. So rammte 1910 ein Bursche von 14 Jahren einen Post-Fourgon und zog sich einen Schädelbruch zu. 1917 verunfallten zwei in Thun internierte Wehrmänner aus Frankreich, welche mit voller Wucht in einen Telegrafenleitungsmast rasten und in Spitalpflege gebracht werden mussten. Bisweilen übten an Sonntagen Mitglieder des Samaritervereins eine gewisse Aufsicht an neuralgischen Stellen aus, wo sie die Schlittelnden vor allzu schnellem Fahren warnten.

Rasante Schlittelrennen

Sehr oft wurden auch Schlittelrennen durchgeführt, wobei in verschiedenen Kategorien gestartet wurde, so im Wettschlitteln, Kunstschlitteln und Jugendschlitteln. 1907 wurde bei «tadellosen Schneeverhältnissen» ein «Schlittenwettrennen um Meisterschaft der Schweiz» durchgeführt. Es handelte sich also um eigentliche Schweizermeisterschaften. 79 Teilnehmerinnen und Teilnehmer absolvierten die Strecke von Goldiwil nach Thun. Der Sieger, der Thuner Johann Bichsel, meisterte die Strecke in 7 Minuten und 22 Sekunden. Als Siegesprämie erhielt er eine vergoldete Uhr. 

Goldiwiler Schlitten

Damals wurde auch ein besonderer Schlitten, der Goldiwiler Schlitten, produziert. Im Gegensatz zum Davoser und zum Grindelwalder Schlitten wies er eine höher konstruierte Sitzfläche auf. Gerade für ältere Semester bot deshalb der Goldiwiler Schlitten einen erhöhten Sitzkomfort.

Schlittler-Rowdies einst

Bisweilen wurde das Schlittelvergnügen der Bevölkerung durch Unruhestifter vergällt. In der Tagespresse vor dem Ersten Weltkrieg stand zu lesen: «Zur Beruhigung des schlittenfahrenden Publikums die Mitteilung, dass gegen die zwei Raufbolde die erforderlichen Schritte eingeleitet wurden und keine Belästigungen mehr zu fürchten sind.» Rowdytum und Hooligans sind also keine Auswüchse der Gegenwart…