MS Oberhofen – das glücklicheSchiff fährt wieder

MS Oberhofen – das glücklicheSchiff fährt wieder

MS Oberhofen – das glücklicheSchiff fährt wieder

Das Motorschiff Oberhofen ist nicht das grösste Schiff auf dem Thuner- see. Und auch nicht das bekannteste. Sein Schicksal ist aber – vielleicht mit Ausnahme des Dampfschiffs Blümlisalp – so wechselhaft wie bei keinem anderen Schiff. Nach dem drohenden Verkauf fährt es nun ab diesem Herbst wieder auf dem Thunersee.

Text: Samuel Krähenbühl |  Fotos: zvg

Gut 25 Meter lang ist das Motorschiff Oberhofen. Es verdrängt leer 38 Tonnen. Und es kann heute noch maximal 80 Personen befördern. Verglichen mit den grossen Schiffen auf dem Thunersee wie etwa der «Berner Oberland», der «Stadt Thun», der «Bubenberg» oder dem Dampfschiff Blümlisalp ist das Motorschiff Oberhofen, meist liebevoll «Oberhofnerli» genannt, ein eher kleines Schiff. Doch es hat eine äusserst spannende Geschichte. Gebaut wurde es 1938 in Hinblick auf die Landesausstellung 1939 («Landi 1939») durch die Firma Escher Wyss & Cie., Zürich, zusammen mit drei Schwesterschiffen. Sein erster Name lautete «Ente». Da Anfang September 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde der Verkauf der vier Schiffe – anders als zunächst gedacht – sehr schwierig. Da auf dem Thunersee mit dem Motorschiff Niesen bereits der Prototyp der Landi-Schiffe fuhr, kaufte die BLS das Boot und konnte den Preis aufgrund der tiefen Nachfrage ziemlich drücken. Von 1940 bis 1999 verkehrte dann das Schiff unter dem Namen «Oberhofen» auf dem Thunersee, vorab in Lokalkursen.


Nach Holland verkauft

Nachdem die Einsätze der Halbschwestern «Oberhofen» und «Niesen» schon seit geraumer Zeit deutlich rückläufig waren, wurden sie ab etwa 1990 fast bedeutungslos. Das MS Niesen sollte zum schon längst angedachten Werkstattschiff umgebaut werden, für das MS Oberhofen fand man schliesslich in der Person des Holländers Riks Noorman einen Käufer. Von 1999 bis 2013 verkehrte das Schiff dann in den Niederlanden unter dem Namen «Vriendschap», zu Deutsch «Freundschaft». Dann wollte sich Noorman 2013 wieder vom Schiff trennen und offerierte es auch der BLS-Schifffahrt. Deren damalige Verantwortliche waren zwar interessiert, verfügten aber nicht über die Mittel zum Rückkauf und Transport. Es konstituierte sich die Interessengemeinschaft MS Oberhofen mit Rolf Lemberg und Gerhard Schmid. Später stiess noch Wolfgang Hauzenberger aus Oberhofen dazu. Diese Gruppierung machte es sich zum ehrgeizigen Ziel, die «Vriendschap» auf den Thunersee zurückzuholen. Vorerst hatte die IG von Hans Meiner, damals Leiter der BLS-Schifffahrt wissen wollen, ob eine Rückholung des Schiffes auf den Thunersee genehm sei. Von ihm kam eine klare Zustimmung. 


Und wieder zurück in die Schweiz

Nachdem bereits einige Zusagen vorhanden waren, ereignete sich das Unerwartete: Der in Oberhofen wohnhafte Unternehmer Kurt Matter erklärte spontan, die auf rund 250000 Franken geschätzten Kosten vollumfänglich übernehmen zu wollen – ein absoluter Glücksfall und Volltreffer. So kehrte das MS Vriendschap in einem aufwendigen Transport von Holland zurück in die Schweiz und wurde 2014 wieder auf dem Thunersee unter dem Namen «Oberhofen» in Betrieb genommen. Für den damaligen Flottenchef Stefan Wiedmer, der die Rückkehr des Schiffes mitinitiiert hatte, ging der Plan voll auf: «Das ‹Oberhofnerli› war sehr interessant für Charterfahrten, da erschwinglich auch für kleinere Gruppen. Das Schiff war denn auch bis zu 80-mal im Jahr vermietet.» Doch Wiedmer als Fürsprecher vom MS Oberhofen und Befürworter des Chartergeschäfts verliess die BLS Ende 2015. Im Lichte einer neuen Betriebs- und Flottenpolitik, welche sich vom Chartergeschäft für kleine Gesellschaften praktisch verabschiedete, dann aber auch unter dem Eindruck der Coronapandemie 2020/21 entschloss sich die BLS, das MS Oberhofen vorerst stillzulegen und spätestens per Jahresende 2021 aus dem Flottenbestand zu streichen. 



Abschiedsfahrt – für immer?

Für einen kleinen Kreis von Beteiligten organisierten Ursula und Kurt Matter am 28. Oktober 2021 eine letzte Fahrt des Schiffes unter der BLS-Flagge. Der Schreibende nahm auf Einladung von Philippe Tobler, Gemeindepräsident von Oberhofen, ebenfalls an dieser Fahrt teil. Und er verfasste dann in der ThunerseeLiebi einen Beitrag (ThunerseeLiebi 4/2021). Am 13. Dezember bedankten sich Kurt und Ursula Matter per E-Mail mit folgenden Worten: «Vielen herzlichen Dank für Ihren Artikel zum MS Oberhofen und die wunderschönen Bilder der Abschiedsfahrt vom 28. Oktober 2021, die uns allen in guter Erinnerung bleiben wird. Wir verstehen die Entscheidung der BLS, das MS Oberhofen ‹auszumustern›, nicht und hoffen immer noch, dass sich eine Lösung findet, damit das MS Oberhofen weiterhin auf dem Thunersee bleibt. Wie schön wäre es, wenn wir in einer 3. Ausgabe der ThunerseeLiebi darüber lesen könnten, so nach dem Spruch ‹was sich zweiet, dreiet sich› (siehe ThunerseeLiebi 3/2014).» Dieser Wunsch von Matters sollte sich im Sommer 2024 nach erfolgter Rettung des MS Oberhofen unter anderem auch mit diesem dritten Beitrag in der aktuellen ThunerseeLiebi, die Sie in den Händen halten, erfüllen.


IG MS Oberhofen greift erneut ein

Die Situation war für das Ehepaar Kurt und Ursula Matter alles andere als einfach. Denn der Schenkungsvertrag von 2013 sah vor, dass das MS Oberhofen «bei Nichtgebrauch nicht verkauft wird, sondern kostenlos in betriebsbereitem Zustand an Kurt Matter, bzw. an seinen Rechtsnachfolger, heimfällt». Somit war klar, dass Matters wider Willen wieder Eigentümer des Schiffs werden würden. Nun stand sogar ein Verkauf auf einen anderen See zur Diskussion. Die IG MS Oberhofen trat zur Unterstützung Matters wieder auf den Plan und streckte die Fühler nach möglichen Kaufinteressenten aus. Zielsetzung hierfür war, etwas Druck vom Ehepaar Matter wegzunehmen, weil dieses so wusste, dass es im fortgeschrittenen Alter nicht buchstäblich auf seinem Schiff sitzen bleiben würde. Der Schiffsbetrieb Walensee unterbreitete Kurt und Ursula Matter eine konkrete schriftliche Offerte.


BLS und Stadt Thun kommen entgegen

Nun stellte glücklicherweise die BLS in Aussicht, sich gegen einen Weiterbetrieb des Schiffes für Charterfahrten auf dem Thunersee durch einen anderen Betreiber nicht querzustellen. So bot die BLS Schifffahrt AG auch Hand, etwa für die Nutzung der Werfthalle für Unterhaltsarbeiten oder das Anfahren von Ländten. Somit waren wichtige Rahmenbedingungen für den Verbleib auf dem Thunersee erfüllt. Doch das Schiff brauchte einen Liegeplatz. Lemberg reichte ein Baugesuch für einen Liegeplatz an der Hofstettenländte in Thun ein. Das Regierungsstatthalteramt Thun führte eine Ämterkonsultation durch. Von zehn angeschriebenen Ämtern äusserten sich acht positiv. Einzig zwei Stellungnahmen der Stadt Thun waren negativ. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass ein Schiff an der Hofstettenländte mit dem Ortsbild nicht vereinbar sei. Daraufhin nahm der Schreibende mit seinem Parteikollegen Philipp Deriaz, Stadtrat in Thun, Fühlung auf. Deriaz reichte in der Stadtratssitzung vom 17. Februar 2022 einen Fragekatalog zu Händen des Gemeinderates ein. Darin zitierte er aus einem Brief, mit dem die IG MS Oberhofen beim Gemeinderat vorstellig geworden war: «Wir ersuchen Sie, uns behilflich zu sein bei unseren Bemühungen, dass die Ländte Hofstetten für die MS Oberhofen als Liegeplatz (‹Anbindestelle›) zugelassen wird.» Doch der Thuner Gemeinderat beantwortete Deriaz’ Vorstoss ablehnend. Unter anderem wurde erneut im negativen Sinne «auf die Vereinbarkeit des Orts- und Landschaftsbildes» verwiesen. Für Deriaz eine unbefriedigende Antwort. «Dieses Schiff ist Teil von Thun und aufgrund seiner Geschichte auch von nationaler Bedeutung», argumentierte er in einem Beitrag des «Thuner Tagblatts». Und weiter: «Auch der Liegeplatz wäre historisch sehr interessant. So hat doch die Thuner Schifffahrt mit dem Dampfschiff Bellevue 1836 von diesem Standort aus begonnen.» Langsam, aber sicher weichte sich danach die Position der Thuner Behörden auf und es zeichnete sich ein Entgegenkommen ab.


Jüngere Kräfte kommen ins Spiel

Der Einsatz von Philipp Deriaz im Stadtrat hatte das Interesse von IG-Mitglied Gerhard Schmid geweckt. Dieser Mann mit seiner Begeisterung für die Schifffahrt wäre doch, so Schmid, die ideale Lösung, um ein junges Team zu bilden, welches sich der Zukunft des «Oberhofnerli» in Form eines Vereins, einer Genossenschaft oder einer Aktiengesellschaft widmet.  Stadtrat Deriaz suchte nach Mitstreitern für eine neue Trägerschaft für das Schiff. Einen fand er mit Marco Berger aus Steffisburg, der dort im Grossen Gemeinderat (GGR) sitzt.  Deriaz und Berger gründeten in der Folge die Berner Oberland Charterschiff AG. Am 31. März 2023 wurde dann der sogenannte Heimfallvertrag von den drei beteiligten Parteien – Matters, BLS-Schifffahrt und Berner Oberland Charterschiff AG – unterschrieben.  Somit waren die Rahmenbedingungen für die Zukunft vom MS Oberhofen auf dem Thunersee geklärt. Doch nun musste die neu gegründete Gesellschaft die Überholung des Schiffes sowie den zukünftigen Betrieb organisieren. Am 16. April 2024 erfolgte der Stapelgang in der Werft Lachen. Die Bauführung übernahm der Thuner Architekt Markus Häsler.  Mit einem grossen Einweihungsfest wurde das Schiff am 31. August an der Hofstettenländte wieder eingeweiht und ging anschliessend in den regulären Charterbetrieb. Somit geht die wechselhafte, aber letztendlich doch glückliche Geschichte des «Oberhofnerli» auf dem Thunersee weiter. Mehr Infos unter: www.oberhofnerli.ch