Seit 2015 befindet sich der Hof der Familie Michel in Unterseen in der Nähe des Naturschutzgebiets Weissenau. Neben Pferden lebt hier auch eine Herde Gallowayrinder, die von Natur aus hornlos sind. Eine Besonderheit: Die Tiere müssen den Hof auch für ihr Lebensende nicht verlassen.
Text: Laura Spielmann | Bilder: zvg

Bild: In den Sommermonaten sömmern die Tiere auf einer Alp in Grindelwald.
Seitdem die Rinder Teil ihres Betriebs sind, führen Matthias und Daniela Michel den Hof nicht mehr «nur» als Hobby. Ihre Galloways befinden sich im Herbst und Winter auf dem Hof und im Frühling und Sommer auf weitläufigen Weiden in Grindelwald – wo auch ihre Bienenvölker stehen. «Wir haben dreizehn Völker. Sie gehören meinen Eltern, Hauptverantwortliche ist meine Mutter. Wir helfen jeweils mit, die Gläser zu befüllen und zu etikettieren – eine sehr aufwändige und klebrige Angelegenheit», erzählt Daniela Michel, gelernte Bereiterin. Letztes Jahr konnten sie so rund 200 bis 250 Kilogramm Honig ernten.
Allgemein sind Danielas Eltern eine grosse Stütze auf dem Hof. Neben der Betreuung der Bienenvölker helfen sie unter anderem auch bei der Kinderbetreuung und beim Heuen mit, schauen zu den Kühen und unterstützen beim Zügeln: «Wir sind ihnen sehr dankbar. Ohne sie wäre das alles gar nicht machbar.»

Hornlose Schotten
Zurück zu den Gallowayrindern. «Wir wollten etwas Spezielleres», erklärt Matthias Michel, gelernter Maurer. Und Daniela ergänzt: «Mein Vater kannte diese Rasse bereits und fand sie cool. Ausserdem war mir wichtig, dass die Tiere keine Hörner haben», ergänzt Daniela. Gallowayrinder sind genetisch hornlos – ideal also für die Haltung in einer Familie. «In Grindelwald konnten wir ein paar Tiere von jemandem übernehmen, der aufhörte. Weitere kauften wir dazu. Inzwischen stammen viele unserer Galloways aus eigener Zucht», fügt sie hinzu.

Gallowayrinder stammen aus der gleichnamigen schottischen Grafschaft im Südwesten des Landes. Sie zählen zu den ältesten Robustrinderrassen Europas – langlebig, genügsam und anpassungsfähig. «Sie sind kleiner als andere Rassen, was uns gefällt», sagt Matthias. Daniela ergänzt: «Sie fressen auch Gras aus extensiv genutzten Wiesen und Weiden – andere Kühe würden es stehen lassen. Unser Standort in Grindelwald ist ziemlich bewaldet und voller Büsche, was sie sehr mögen.»
Galloways überzeugen durch ihre hervorragende Fleischqualität und ihre überdurchschnittliche Futterverwertung. Ausserdem tragen die relativ leichten Tiere mit ihren breiten Klauen zur Schonung des Bodens bei. Durch ihr unselektives Weideverhalten fördern sie die Vielfalt der Pflanzenarten und leisten einen Beitrag zur Pflege artenreicher Landschaften und zum Erhalt seltener Pflanzen.
Haltung mit Verantwortung
Das Tierwohl soll im Mittelpunkt stehen: Michels legen grossen Wert auf eine artgerechte Haltung und einen sorgsamen Umgang mit den Tieren – von der Geburt bis zur Tötung. Die Kälber bleiben bei ihren Müttern, die Tiere wachsen langsam auf und bleiben ihr Leben lang in der Herde. Von Frühling bis Spätsommer verbringen sie ihre Zeit in Grindelwald auf Weiden mit Wäldern und Bächen, wo sie viel Platz haben. Auch auf dem Hof selbst haben die Tiere viel Auslauf. «Wir dürften auf der Fläche, die wir haben, mehr Tiere halten. Das wollen wir aber nicht, denn wir möchten, dass sich die Rinder wirklich gut bewegen können», so Daniela.
Stressfrei: Hoftötung
Eine Besonderheit des Betriebs ist die Hofschlachtung. Dafür wird eine Bewilligung verlangt, die man erst nach fünf korrekten Schlachtungen erhält. «Wir arbeiten mit der Firma Platzhirsch Hofschlachtungen GmbH zusammen und werden jedes Mal von einem Tierarzt und einer Vertretung des Amtes für Veterinärmedizin kontrolliert», erklärt Matthias.
Zum Zeitpunkt der Schlachtung sind die Tiere zwei Jahre alt. Den Ablauf erklärt Daniela wie folgt: «Ein Mitarbeiter der Firma kommt auf den Hof, anschliessend werden die Tiere gefüttert und mittels eines Bolzenschusses betäubt. Weil die Rinder durch das Futter abgelenkt sind, merken sie es nicht. Da viele Parteien involviert sind, kann es manchmal schwierig sein, einen Termin zu finden.»

Für Daniela war die Hoftötung eine zentrale Bedingung für die Mitarbeit: «Ich habe gesagt, dass ich nur mithelfe, wenn wir die Tiere nicht irgendwohin zu einem Schlachthof fahren müssen und es für sie absolut stressfrei ist. Sonst wäre es für mich keine Option gewesen.» «Bei der Muttertierhaltung ist es oftmals schwieriger, einzelne Tiere herauszunehmen, doch das nehmen wir gern in Kauf», stimmt Matthias Danielas Aussage zu. So wird den Kühen der stressige Transport sowie das Entrissenwerden aus der Herde erspart. Das hat auch positive Auswirkungen auf die Qualität des Fleisches.
Die Hoftötung ist für die Familie klar mit einem höheren Aufwand und höheren Kosten verbunden – was sich in den Preisen widerspiegelt. Die Qualität des Fleisches, das Wohlergehen der Tiere und nicht zuletzt die eigene Überzeugung und Würde gegenüber den Tieren rechtfertigen diesen Weg jedoch.
Gefragte Produkte
Die Familie Michel vermarktet alles selbst. Aus dem Fleisch der Tiere werden mehrheitlich Mischpakete hergestellt, die man vorbestellen kann – ebenso wie den Honig aus Grindelwalder Bergblumen.
«Die Kühe bekommen kein Zusatzfutter, sondern nur Heu, Gras, Silo und Stroh. Deshalb dauert es länger, bis das Fleisch ausgereift ist und das Tier das benötigte Gewicht erreicht», erklärt Matthias. Das Fleisch zeichnet sich durch einen hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren aus. Es ist besonders zart, gut marmoriert und hat einen einzigartigen, würzigen Geschmack. Matthias betont: «Man merkt es dem Fleisch an, dass die Tiere keinen Stress haben.»

Sie verkaufen alles, was gefragt ist: Mischpakete, Trockenwürste, Trockenfleisch, Hamburger usw. «Wenn die Leute spezielle Wünsche haben, dürfen sie uns gerne anfragen. Wir klären dann, ob es möglich ist oder nicht», so Daniela. Mittlerweile haben sie sich eine Stammkundschaft aufgebaut, die immer wieder reserviert. «Wenn noch etwas übrig ist, dann verkaufen wir das ab Hof. Meistens sind die Mischpakete bereits im Voraus ausverkauft», sagt sie. «Man kann das ganze Jahr über reservieren. Die Schlachtung findet meistens im September/Oktober statt, dann ist das Fleisch im November/Dezember verfügbar», ergänzt Matthias.
Die Verarbeitung und die Verpackung findet in der zertifizierten Metzgerei «Blaue Kuh» in Interlaken statt. «Das dürften wir auch gar nicht selbst machen. Wir bräuchten spezielle Räumlichkeiten, Bewilligungen und Ausbildungen», erklärt Daniela.
Pferdesportcenter Matten
Pferde waren von Anfang an Teil des Hofes. Zur Herde gehören Springpferde, Seniorenpferde und ein Sportpony. Die Pferde und Kühe sind zwar alle auf einer grossen Weide, doch ein Zaun trennt sie voneinander. «Ich habe schon darüber nachgedacht, sie zusammenzulassen, aber mit den Sportpferden ist das nicht immer einfach, da sie manchmal nicht die ruhigsten sind», sagt Daniela. Neu zum Landwirtschaftsbetrieb gehört das Pferdesportzentrum Matten. «Ein grosser Pensionsstall mit aktuell 19 Pferden. Wir erweitern diesen gerade um zehn Boxen und bieten auch Reitstunden an. Es hat sich unerwartet ergeben, dass wir den Stall übernehmen konnten, da freuen wir uns aber umso mehr darüber», informiert sie weiter.

Für ihre Zukunft wünschen sich die beiden, «dass wir allein vom Pferdesportzentrum und vom Gallowayhof leben können», da Matthias derzeit noch nebenberuflich arbeitet. Ob ihre Kinder einmal übernehmen werden? Wer weiss – der Jüngste hilft auf jeden Fall bereits tatkräftig auf den beiden Betrieben mit.
Daniela und Matthias Michel
Gallowayhof
Wydengässli 14, 3800 Unterseen
gallowayhof.ch