Rindsfilet-Report: Steinzeitromantik
Rindsfilet-Report: Steinzeitromantik
Mit dem Feuer spielen macht enormen Spass, das weiss jedes Kind, und das ändert sich auch im Erwachsenenalter nicht. Vielleicht stammt dieser Impuls aus grauer Vorzeit, als wir uns abends vor unseren Höhlen rund um ein flackerndes Lagerfeuer versammelten. Gut möglich, dass, damals wie heute, ein kleiner Steinkranz das Feuer begrenzte; ebenso gut möglich, dass einem unserer schusseligen Vorfahren die Beute des Tages aus der Hand und auf einen dieser Steine fiel. Der aufsteigende köstliche Röstgeruch muss für einen begeisterten Heureka-Moment gesorgt haben … und tut das auch heute noch! Dazu müssen Sie nicht mal Brennholz hacken – besuchen Sie stattdessen den Beizer Ihres Vertrauens. Wir haben einige Vorschläge.
Text: Alain Diezig | Fotos: Andrea Abegglen, Alain Diezig, Christine Hunkeler, zvg
Die gehobene Variante dieser Techniken ist natürlich der heisse Stein – ein Klassiker der Schweizer Wirtshauskultur und nebenher wohl auch das einzige Gericht, für das sich auch Erwachsene gerne (oder notgedrungen) ein Lätzchen umbinden. Im Grunde genommen handelt es sich um eine Art trockenes Fondue Chinoise; tendenziell eher magere Stücke, die sich zum Kurzbraten eignen, werden in eher dünne Streifen oder Scheiben geschnitten und auf dem heissen Stein bis zum gewünschten Gargrad gebraten. Hier haben Sie Ihr Glück in den eigenen Händen – wer nur einen Hauch von Röstaromen möchte, kommt ebenso auf seine Kosten wie Menschen, denen selbst die meisten Ledersohlen noch verdächtig roh erscheinen. Danach wird das gute Stück wie beim Fondue Chinoise in eine Sauce getunkt. Hier scheint sich eine Auswahl von drei Saucen, bei der meist eine Kräuterbutter und eine Knoblauchsauce dabei sind, durchgesetzt zu haben.
Der Genuss an sich ist das eine – was aber den heissen Stein auszeichnet und immer wieder zum Erlebnis macht, ist das damit verbundene Ritual. Das schon erwähnte Lätzchen, die ausgeklügelten Holzbehälter für den heissen Stein mit den dazugehörigen Saucentöpfchen, das scharfe Zischen, wenn das erste Stück den Stein berührt, der aufsteigende Duft und überhaupt die Tatsache, dass man hier selbst Hand anlegen kann. Wir haben einige Adressen entlang des Thunersees für Sie ausprobiert.
Luna Piccante, Wilderswil
Im «Luna Piccante» in Wilderswil speisen Sie in einem modern, aber herzlich eingerichteten Familienbetrieb mit Blick auf die Jungfrau. Das Restaurant legt grossen Wert auf Familienfreundlichkeit; im Sommer können sich die Kleinen auf dem Spielplatz draussen vergnügen, für die kälteren Tage wurde im Innern eine Spielecke eingerichtet. So können sich die Eltern ungestört den wichtigen und ernsthaften Seiten des Lebens widmen – zum Beispiel dem zischenden heissen Stein mit einem Rindsfilet, das zugeschnitten und zubereitet werden will. Das Stück wurde vorsorglich schon mal in der Küche angewärmt, was herrlich appetitliche Grillstreifen hinterlassen hat. Ebenfalls herrlich appetitlich: die frische Gemüsebeilage. Es ist generell immer sehr löblich, wenn zu einem reichhaltigen Fleischgericht auch eine Reihe von frischen und erfrischenden Beilagen serviert wird; das putzt sozusagen den Gaumen aus und macht Lust auf den nächsten Bissen. Auch ein Highlight: die äusserst freundliche Bedienung.
Preis: ab CHF 47.–
Kontakt
Obereigasse 50, 3812 Wilderswil
Tel. 033 822 84 14
Hirschen,
Matten
Der «Hirschen» in Matten ist eine geschichtsträchtige Stätte; schon im 17. Jahrhundert wurde ein Gasthaus dieses Namens erwähnt, und immer noch kann man hier gediegen tafeln. Das Ambiente ist wundervoll – der «Hirschen» befindet sich in einem mächtigen, alten Berner Bauernhaus. Wenn die Geranien blühen, zeigt sich hier der typische heimelige Kontrast zwischen den roten Blumen und dem sonnenverbrannten Holz. Nicht verbrannt, sondern im Gegenteil perfekt auf den Punkt gebraten ist das Rindsfilet auf dem heissen Stein, das hier mit einem Salat und einer Früchtebeilage serviert wird. Die Kombination von gebratenem Fleisch und Früchten wird leider oft sträflich unterschätzt. Im «Hirschen» gibts zum Rindsfilet allerdings frische Ananas und Honigmelone; das ausgewogene Süss-Sauer-Spiel der Früchte harmoniert wundervoll mit dem reichhaltigen Filet. Zudem werden im «Hirschen» mehr Saucen als anderswo angeboten – neben der obligatorischen Kräuterbutter, der Cocktailsauce und der Knoblauchsauce kommt hier auch eine Currysauce zum Einsatz, die Fleisch und Früchte perfekt ergänzt. Ein Hattrick sozusagen.
Preis: ab CHF 55.–
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Hauptstrasse 11, 3800 Matten
Tel. 033 822 15 45
Löwen,
Wimmis
Der «Löwen» in Wimmis ist ein Familienunternehmen, ein Lokal, das von Barbara Meister- Moser in dritter Generation geführt wird. Da drängt sich der Verdacht auf, dass hier das Gastgeber-Gen im Blut liegt, und tatsächlich wird man im «Löwen» von einem aufgestellten und zuvorkommenden Team herrlich umsorgt. Der heisse Stein wird hier auf einem Steingutteller an den Tisch gebracht, der an typische Fondue-Chinoise-Platten erinnert und genügend Platz bietet für die drei grosszügig portionierten Saucen (Tartar-, Knoblauch- und Cocktailsauce). Das Fleisch – in unserem Fall ein klassisches Rindsfilet – wird separat serviert. So können Sie nach Belieben schalten und walten, entscheiden selbst über Dicke und Gargrad jeder Scheibe. Das Schöne am Rindsfilet ist dabei, dass es in jedem Gargrad mundet, sodass man nichts falsch machen kann. Auch eine Gemüse- und Salatbeilage darf hier nicht fehlen. Eine besondere Aufmerksamkeit sind die rohen Zwiebeln, die mit jeder Art von gebratenem Fleisch harmonieren und dem Ganzen eine leichte Frische und Schärfe verleihen.
Preis: ab CHF 47.50
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Hauptstrasse 24, 3752 Wimmis
Tel. 033 657 12 45
Primo Amore, Spiez
Das «Primo Amore» in Spiez ist in erster Linie als absolute Topadresse für Pizzas bekannt. Dementsprechend verführerisch duftet es, wenn man sich im lichtdurchfluteten Saal niederlässt. Wir widerstehen aber der Versuchung und bestellen einen mediterran angehauchten heissen Stein, diesmal mit einem Schweinssteak. Was gleich positiv auffällt, sind die Gemüsebeilagen – unter anderem Rüebli, Sellerie und Tomaten. Das bringt einen Hauch Frische und Abwechslung in die Mahlzeit, was man nicht genug loben kann. Der Aceto Balsamico auf dem Teller ist übrigens nicht nur ein dekoratives Element, sondern auch eine ausgezeichnete Sauce zum Schweinssteak. Hier ist im Gegensatz zu den meisten anderen auf dem heissen Stein servierten Sorten etwas Tempo angesagt: Schneiden Sie das gute Stück gleich in mundgerechte Scheiben und nutzen Sie die rund 10 bis 15 Minuten Hitze, die der Stein abzugeben hat, um diese fertig zu garen. Das garantiert Ihnen ein saftiges kulinarisches Erlebnis.
Preis: CHF 44.–
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Thunstrasse 2, 3700 Spiez
Tel. 033 654 22 51
Kanönli, Thun
Thun mit seiner grossen Militärtradition hat einige Restaurants, die sich auf diese beziehen – neben dem «Militärgarten» zum Beispiel auch das «Kanönli» an der Kasernenstrasse. In dieser urgemütlich eingerichteten Beiz lässt man sich gern nieder, speziell bei schlechtem Wetter. Das Restaurant hat einen ganz besonderen Pfeil (respektive eine besondere Kanonenkugel) im Heissen-Stein-Köcher – nämlich Känguru! Die Population dieses Beuteltieres ist in Australien aufgrund der sich ausbreitenden Landwirtschaft förmlich explodiert. Dass es sich um eine Art Wild handelt, wird vom ersten Bissen an offensichtlich; Känguru erinnert in Geschmack und Konsistenz sehr an Hirschfleisch. Weil es auch so mager ist wie Hirsch, eignet es sich ausgezeichnet zum Kurzbraten auf dem heissen Stein. Definitiv (noch) ein Geheimtipp! Lassen Sie den dazu servierten Ananasring übrigens ruhig etwas auf dem Stein brutzeln – er wird an der Auflagestelle verführerisch karamellisiert und passt ebenso gut zum Känguru wie etwa eine in Rotwein eingelegte Birne zu anderem Wild.
Preis: ab CHF 34.90
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Kasernenstrasse 19, 3600 Thun
Tel. 033 222 99 75
Militärgarten, Thun
Der «Militärgarten» ist eine Thuner Institution und die erste Anlaufstelle für alle, die ein rustikales Ambiente, günstige Preise, grosszügige Portionen und eine charmante Bedienung schätzen. Das Restaurant bietet auch ein einladendes Fumoir an für alle, die gerne in jeder Hinsicht speisen möchten wie anno dazumal. Im Sommer kommt natürlich der gemütliche Biergarten hinzu. Zu Ehren der gewesenen Schweizer Kavallerie entscheiden wir uns hier für ein Pferdeentrecote. Pferdefleisch verdient es, wieder vermehrt entdeckt zu werden. Es ist ernährungsphysiologisch mit Rindfleisch vergleichbar, ist aber magerer und in der Regel etwas günstiger als dieses. Zudem enthält es viel Eisen. In der Küche kann es ebenfalls wie Rindfleisch verwendet werden – das bedeutet in diesem Fall, dass man das grosszügig portionierte Entrecote auf dem heissen Stein wunderbar saignant braten kann. Sporen an und ab die Post!
Preis: ab CHF 39.–
Kontakt
Kasernenstrasse 45, 3600 Thun
Tel. 033 222 20 68
Rössli, Dürrenast
Das «Rössli» in Dürrenast ist eine echte Quartierbeiz, wie sie heute leider selten geworden sind. Mit ihren ungewöhnlich langen Öffnungszeiten (von 5 Uhr morgens bis 0.30 Uhr abends!) ist sie wirklich für alle da und bedient Frühschichtler und Nachteulen gleichermassen. Das umfangreiche Menü hält für jeden etwas bereit – in unserem Fall natürlich auch eine Auswahl von Fleisch für den heissen Stein. Hier entscheiden wir uns für Lamm, eine sehr aromatische Fleischsorte, die am besten schmeckt, wenn sie noch leicht rosa ist. Also perfekt für den heissen Stein und sehr empfehlenswert für die, die eine Abwechslung vom Rindfleisch suchen, das sonst standardmässig auf den Teller kommt. Lamm ist natürlich auch ein perfekter Partner für Knoblauch, weswegen bei diesem heissen Stein fast ausschliesslich die leckere Knoblauchsauce zu Ehren kommt. Eine Empfehlung wert – auch wenn Sie nur einen Kaffee trinken möchten!
Preis: ab CHF 36.–
Kontakt
Frutigenstrasse 73, 3604 Thun
Tel. 033 334 30 60
Panorama Tsang,
Aeschlen ob Gunten
In der gemütlichen Gaststube und auf der grossen Sonnenterrasse mit grossartigem Panoramablick wird man mit guter Schweizer Küche und asiatischen Spezialitäten verwöhnt. Bei unserem letzten Besuch haben wir die asiatische Küche genossen, heute probieren wir «Leckeres auf dem heissen Stein». Die Auswahl geht von Rindshohrückenfilet über Lammfilet, Pouletbrust, Schweinsnierstück und Riesenkrevetten bis hin zu Pferdehohrückenfilet. Wir entscheiden uns für das aus der Schweiz kommende Rindshohrückenfilet. Das Fleisch ist sehr zart und lässt sich herrlich auf dem heissen Stein braten. Dazu gibt es drei verschiedene Saucen, die hervorragend zum Gericht passen. Als Beilage kann zwischen Gemüse und einem Salat ausgewählt werden, dazu gibt es eine Portion Pommes frites. Im Restaurant Panorama Tsang ist aktuell am Montag Ruhetag, an den weiteren sechs Tagen gibt es durchgehend warme Küche.
Preis: CHF 36.–
Kontakt
Aeschlenstrasse 144, 3656 Aeschlen ob Gunten
Tel. 033 251 31 31