Güggeli-Report: Die unendliche Vielfalt des Poulets
Güggeli-Report: Die unendliche Vielfalt des Poulets
Das Huhn ist weltweit wohl eines der beliebtesten Tiere. Das ist auch bei uns so – immerhin 14 Millionen Hühner leben in der Schweiz, also rund zwei Schnäbel pro Nase. Grund genug, einen näheren Blick darauf zu werfen, was rund um den Thunersee mit unseren gefiederten Freunden in kulinarischer Hinsicht so angestellt wird.
Text: Alain Diezig | Fotos: Andrea Abegglen, Alain Diezig, Christine Hunkeler, Annette Weber-Hadorn, zvg
Die Beliebtheit von Hühnern hat einen interessanten ökonomischen Aspekt. Zum einen ist es um einiges einfacher, schneller und weniger ressourcenintensiv, ein Küken bis zur Schlachtreife grosszuziehen, als beispielsweise ein Ferkel zum Schwein auswachsen zu lassen – das Huhn setzt nämlich schneller Gewicht an und ist innert weniger Monate gross genug, um geschlachtet werden zu können. Die geringe Grösse der Tiere hat zudem den Vorteil, dass man sie einfacher verstecken kann. Zu Zeiten, als die Landbevölkerung die Steuern noch in Naturalien entrichten musste, konnte man so mit wenig Aufwand die eine oder andere Festmahlzeit vor dem Fiskus in Sicherheit bringen. Wenig verwunderlich auch, dass Politiker von König Henri IV. von Frankreich bis zum US-Präsidenten Herbert Hoover ihrem Volk jeweils ein Huhn in jedem Topf, mindestens sonntags, versprochen haben.
Daneben sind Hühner aber auch sehr schön anzusehen mit ihrem flauschigen, oft sehr ansprechend gefärbten und gemusterten Gefieder und ihren feuerwehrroten Kämmen. Aus diesem Grund ist die Hühnerhaltung in der Neuzeit wieder zu einem Hobby auch vieler Stadtbewohner:innen geworden.
Kulinarisch gesehen ist das Huhn eine tabula rasa – durch seinen milden Eigengeschmack harmoniert Poulet mit nahezu jedem Gewürz, jeder Zubereitungsmethode, jeder Kombination mit Früchten oder Gemüse und jeder nur denkbaren Sauce.
Nahezu jede Küche hat ihre Poulet-Kultgerichte, von Southern Fried Chicken über Coq au vin bis zu Tom Kha Gai, um nur einen kurzen Blick von West nach Ost zu werfen. Nichts ist unmöglich mit einem Poulet und etwas Fantasie – im mittelalterlichen Europa wurden aus Pouletfleisch sogar Dessertgerichte hergestellt!
Durch die dünne Fettschicht unter der Haut eignet sich das Poulet perfekt zum Rösten, Backen oder Frittieren. Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen einige wunderba- re Spezialitäten lokaler Restaurants vor. Schlagen Sie zu – sicherlich haben auch Sie ein Poulet, wenn nicht im Topf, dann bestimmt auf Ihrem Teller, verdient.
Schwert, Thun
«Mistkratzerli» ist nicht nur einer der charmantesten Helvetismen der deutschen Sprache, sondern auch eine wunderbare Art, Poulet zu servieren. Diese Junghühner haben dieselben kulinarischen Vorzüge wie ihre ausgewachsenen Pendants, haben aber die perfekte Serviergrösse für eine Person. Und wenn das Fleisch noch aus Schweizer Haltung stammt, wie hier im gemütlichen Schwert in Thun, braucht es gar nicht mehr viel zum Glück. Genau genommen braucht es nur noch zwei Komponenten: duftenden Rosmarin und ebenso duftenden Knoblauch. Lassen Sie sich genügend Zeit, um in aller Ruhe das betörende Aroma zu inhalieren, bevor Sie sich diesen zarten Klassiker des Hauses zu Gemüte führen. Unbedingt empfehlenswert ist auch die Weinkarte. Wo man andernorts mit langen Lagerlisten fast erschlagen wird, findet die mit viel Liebe und Sachverstand zusammengestellte Weinkarte im Schwert Platz auf einer A4-Seite. Wenige Etiketten – aber alle exzellent. Preis: CHF 29.–
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Untere Hauptgasse 8, 3600 Thun
Tel. 033 221 55 88
www.schwert-thun.net
Militärgarten, Thun
Glücklich kann sich die Stadt schätzen, die über ein Lokal verfügt wie den Militärgarten mitten im Kasernenareal in Thun. Keine Spur von Chichi, dafür deftige Hausmannskost, ein grosszügiger, gut besonnter Aussenbereich, freundliche Bedienung und erstaunlich günstige Preise. Eine der Spezialitäten des Hauses sind – nomen est omen – die Pouletflügeli im Militärhelm. Vergessen Sie das Chörbli, der gute alte Stahlhelm ist der offizielle und definitive Höhepunkt der Poulet-Serviertechnologie. Gefüllt ist er bis zum Rand mit knusprigen Frites, auf denen sich ebenso knusprige, herzhaft gewürzte Pouletflügeli tummeln. Die Grösse der Portion dürfte auf jene zugeschnitten sein, die hungrig von einem 50-km-Marsch heimstolpern, aber auch Zivilistinnen, die in weiser Voraussicht nur ein leichtes Mittagessen zu sich genommen haben, kommen hier auf ihre Kosten. Und der Preis? Da kommt Nostalgie auf – hier essen Sie nämlich für zwei und zahlen für die Hälfte. Preis: CHF 16.50
Kontakt
Kasernenstrasse 45, 3600 Thun
Tel. 033 222 20 68
www.militaergarten-thun.ch
Waaghaus, Thun
Das Waaghaus wurde eben erst renoviert und wirkt offen und einladend. Insbesondere die offene Küche macht etwas her – so wird man nicht nur während des Wartens unterhalten, sondern erhält auch den Eindruck, dass es hier nichts zu verstecken gibt. Es gibt im Gegenteil einiges zu präsentieren, insbesondere die «Flammenwand» mit unzähligen Poulets, die an ihren Rotisseriespiessen ihre Runden drehen. Folgerichtig hat sich das Waaghaus auch auf Poulet spezialisiert, das in allen möglichen Formen vom Burger über Salat bis zum klassischen Poulet Rôti angeboten wird. Für Letzteres haben wir uns entschieden – und es nicht bereut. Nicht nur ist das Fleisch saftig geblieben und die Haut kräftig gewürzt; unter dem Poulet verbirgt sich auch eine Beilage aus eingelegtem Gemüse, von der Zwiebel bis zum Rüebli. Der heimliche Star des Abends ist die Marie-Rose-Sauce, die dazu serviert wird. Was andernorts ein Euphemismus für Mayonnaise und Ketchup aus der Flasche ist, ist im Waaghaus offensichtlich selbst gemacht und ein perfekter Begleiter zum Poulet. Preis: CHF 16.–
Kontakt
Marktgasse 17, 3600 Thun
Tel. 033 821 12 12
www.waaghausthun.ch
Hotel Bären, Sigriswil
Poulet im Chörbli ist ein Schweizer Klassiker und es ist bedauerlich, dass das Gericht in den letzten Jahren etwas in Vergessenheit geraten ist. Nichts sagt «gemütliche Schweizer Beiz» wie ein halbes Poulet mit Pommes frites und pikanter Sauce auf Wachspapier in einem geflochtenen Korb. Es trifft sich darum gut, dass der Bären in Sigriswil sich dazu entschlossen hat, diesen Klassiker ins 21. Jahrhundert zu bringen. Nach einem leckeren gemischten Salat zur Einstimmung kommt dann auch gleich das besagte Chörbli auf den Tisch. Die farbenfrohen Kräuter, die über dem Poulet verstreut sind, sind ebenso wohltuend für das Gemüt wie die Sonne, die uns heute auf der Terrasse mit der wunderbaren Aussicht über den Thunersee verwöhnt. Und da wir schon vom Verwöhnen sprechen – die Sauce zum Poulet im Chörbli ist hier eine Sauce Béarnaise, eine der ganz grossen Buttersaucen der französischen Küche, die zu praktisch allem passt und auch hier dem Ganzen die Krone aufsetzt. Preis: CHF 21.50 (ohne Salat), 26.50 (mit Salat)
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Raftstrasse 6, 3655 Sigriswil
Tel. 033 252 80 80
www.baerensigriswil.ch
Niesenblick, Oberhofen
Das Hotel Restaurant Niesenblick mit seiner einzigartigen Seeterrasse liegt in Oberhofen direkt am wunderschönen Thunersee. Man trifft auf ein gemütliches Ambiente mit Blick auf See und Berge und als Gast fühlt man sich herzlich willkommen. Das Güggeli im Chörbli gibt es im Take-away-Angebot, aber auch im Restaurant auf dem Teller. Die herrlich gebackenen Pouletschenkel (ohne Knochen) werden mit Pommes frites und einem aromatischen Curry-Mango-Dipp serviert. Wir kommen sicher wieder. Die Speisekarte bietet ein vielfältiges, saisonales Angebot und umfasst Fischgerichte, vegetarische Speisen und Fleischspezialitäten. Im Weinkeller warten über 180 verschiedene Spitzenweine aus der ganzen Welt darauf, mit der ausgewählten Speise ideal kombiniert zu werden. Preis: CHF 24.50
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Längenschachen 28, 3653 Oberhofen
Tel. 033 243 15 12
www.niesenblick-oberhofen.ch
Restaurant Runft, Interlaken
Auf der sonnigen Terrasse lässt es sich wunderbar ausspannen und verweilen. Mitten in Interlaken gelegen herrscht hier eine tolle Atmosphäre. Doch auch die vielfältige Karte mit Gegrilltem, Flammkuchen sowie verschiedensten Pouletspezialitäten lässt Gutes erhoffen. Wir entscheiden uns für die knusprigen Pouletflügeli im Chörbli. Das «Chörb- li», in welchem das saftige Poulet serviert wird, ist weniger traditionell, als der Name erst vermuten lässt: Ein Abtropfsieb gibt dem Ganzen einen charmanten und unkonventionellen Charakter. Als Beilage gibt es Pommes frites, doch auch diese haben eine Besonderheit. Die Twister-frites sind lustig gezwirbelt und überzeugen besonders durch das leckere Gewürz. Der würzige Geschmack der Frites kann nach Belieben durch die dazugehörige Mayonnaise abgerundet werden. Zu guter Letzt stimmt auch das Preis- Leistungs-Verhältnis, die Portion ist grosszügig berechnet. Preis: CHF 17.50
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Bahnhofstrasse 51, 3800 Interlaken
Tel. 033 823 83 83
www.runft.ch