Die Schnitzelparade
Die Schnitzelparade
Das dünn geklopfte, in Mehl und Ei gewendete und schliesslich in Panade gewälzte und schwimmend ausge- backene Kalbsschnitzel vereinigt die kulinarische (Deutsch-)Schweiz wie wohl kein zweites Gericht. Man findet es in den schäbigsten Absteigen des Landes, aber auch auf der Speisekarte von Sternelokalen. Für Familien-Res- taurantbesuche ist es ein ebenso sicherer Wert wie fürs Geschäftsessen. Und der k. u. k. Nimbus seiner Herkunft, die sich in seinem Namen widerspiegelt, schadet ihm natürlich auch nicht – auch wenn das Wiener Schnitzel hierzulande mehr als Hauptattraktion des volks- tümlichen Duos «Schnipo» bekannt ist.
Text: Alain Diezig | Fotos: Alain Diezig, Christine Hunkeler, Annette Weber-Hadorn, zvg
Wie um praktisch alle beliebten Gerichte ranken sich auch um das Wiener Schnitzel allerlei Legenden und Gerüchte, die tief in die europäische Geschichte hineinreichen. So sollen die Ursprünge der Technik des Panierens auf das oströmische Kaiserreich zurückgehen. Dort war die Oberschicht der Unsitte des Belegens von Speisen mit Blattgold verfallen, was ihr dann prompt vom Kaiser verboten wurde. Die optisch gleichwertige (und geschmacklich weit überlegene) Alternative war dann das schwimmende Ausbacken von mit Brotkrümeln belegten Speisen.
Über Venedigs ausgedehntes Handelsnetzwerk gelangte diese Methode dann früher oder später auch in den Westen. Mailands berühmtes «cotoletta alla milanese» ist Zeuge dieser Entwicklung. Es ist fast ein Wiener Schnitzel – wird allerdings aus dem Kalbskotelett hergestellt, bei dem der Knochen im Fleisch belassen wird. Zudem wird die Panade fest angedrückt.
Da die Venetianer auch mit den Österreichern regen Handel trieben und diese dem Genuss bekanntermassen nicht abgeneigt waren oder sind, ist es gut möglich, dass sich die Technik des Panierens über diesen Weg bis nach Wien ausbreitete. In einem österreichischen Kochbuch aus dem Jahr 1683 findet sich schon folgender, für moderne Ohren einigermassen kryptischer Eintrag: «Wie man gute Kälberne Schnitzlein zurichten sollte, hat die Köchin hiervon zu wissen, dass dieses auch ein gutes Essen giebt, und nur in vornehmen Häusern einer hochberühmten Reichs-Stadt im Gebrauch …» Möglich aber auch, dass die Methode an mehreren Orten unabhängig voneinander erfunden wurde.
Wie dem auch sei – das Wiener Schnitzel kann durchaus als Kaiser unter den panierten und frittierten Speisen durchgehen. Ein fachgerecht zubereitetes Schnitzel wird nämlich nicht einfach schnöde in die Fritteuse geschmissen, sondern unter ständigem Schwenken der Pfanne und Übergiessen mit dem heissen Fett zubereitet. So kann die Panade schön «soufflieren», das heisst, sie klebt nicht am Fleisch, sondern schlägt knusprige Blasen. Wie die Autorin Verena Mayer etwas ungnädig anmerkt: «Wie bei allem in Wien gilt der Grundsatz: Nach je mehr es ausschaut, desto besser.»
Eden, Spiez
«Belle Époque» lautet die Devise im Eden Spiez, und «belle» ist es im gediegenen Restaurant tatsächlich, angefangen bei der schönen Aussicht. Schöner noch ist es, sich in einem der bequemen Sessel der Eden Bar niederzulassen und die ausgiebige Weinkarte zu studieren. Am schönsten ist es allerdings, sich vom kompetenten Küchenteam verwöhnen zu lassen. Um die Qualität des Eden-Schnitzels zu beurteilen, reicht ein Blick auf die Panade – die legt sich nämlich luftig und wellig über das zarte Fleisch. Ganz im Wiener Stil gibt es hier auch Preiselbeeren dazu; diese süss-saure Fruchtbeilage passt nicht nur ausgezeichnet zu Wild, sie ist auch zusammen mit der Zitrone eine traditionelle Beilage zum reichhaltigen Wiener Schnitzel. Sie verhindert nicht nur Skorbut (da reich an Vitamin C), sondern auch die Langeweile, da ihre fruchtige Säure das Gericht perfekt abrundet. Eine spezielle Erwähnung wert: das wunderbar in Butter glasierte Gemüse, das dazugereicht wird.Preis: CHF 46.–
Kontakt
Seestrasse 58, 3700 Spiez
Tel. 033 655 99 00
www.eden-spiez.ch
«Am schönsten ist es allerdings, sich vom kompetenten Küchenteam verwöhnen zu lassen.»
Stadthaus, Unterseen
Im malerischen Unterseen bei Interlaken befindet sich das imposante Stadthaus, das seinem Namen architektonisch alle Ehre macht. Hier waltet der aus dem TV bekannte Koch René Schudel seines Amtes und präsidiert über die gutbürgerliche Stube (sowie über einen prächtigen Weinkeller!). Was das Wiener Schnitzel im Stadthaus besonders auszeichnet, ist die Panade. Sie wellt sich zwar schön über dem Fleisch, wie das die Originalrezeptur vorsieht, aber beim näheren Betrachten zeigen sich glimmernde Einschlüsse … Worum es sich da wohl handelt? Cornflakes? Japanisches Panko-Paniermehl? Auf jeden Fall ist die Panade im Stadthaus unvergleichlich krachend-knusprig. Die Preiselbeeren sind die perfekte Ergänzung dazu – hier in der etwas komplexeren Chutney-Form. Das Prädikat «Stadthaus-Klassiker» hat dieses Schnitzel definitiv verdient!
Preis: CHF 39.50
Kontakt
Untere Gasse 2, 3800 Unterseen
Tel. 033 822 86 89
www.restaurantstadthaus.ch
«Auf jeden Fall ist die Panade im Stadthaus unvergleichlich krachend-knusprig.»
Neuhaus, Unterseen
Das kleine Unterseen ist eine grosse Stätte des Wiener Schnitzels im Berner Oberland, zumindest, wenn man von unserem Test ausgeht – ist das Neuhaus doch schon das zweite Lokal aus Unterseen, das mit seinem Schnitzel punkten kann. Das Lokal liegt direkt am Thunersee in der Nähe des Golfclubs und des Naturschutzgebiets Weissenau, also wunderschön eingebettet zwischen Grün und Blau. Hier befindet sich die einzige Restaurantterrasse auf dem Bödeli mit Blick auf den Thunersee; Freunde der Seesicht sind also angehalten, sich bei schönem Wetter auf den Weg nach Unterseen zu machen. Und warum nicht ein gepflegtes Schnitzel, wenn Sie schon hier sind? Das lohnt sich definitiv – das Kalbfleisch wurde hier nämlich nicht flachgeprügelt, sondern wunderbar zart gebraten. In Kombination mit den knusprigen Pommes frites, einem grosszügigen Spritzer Zitronensaft und der wunderbaren Aussicht lässt sich hier der Sommer geniessen.Preis: CHF 37.–
Kontakt
Seestrasse 121, 3800 Unterseen
Tel. 033 822 82 82
www.hotel-neuhaus.ch
«Wunderschön eingebettet zwischen Grün und Blau.»
Deltapark, Gwatt
Der Deltapark im Gwatt hat sich definitiv als eine der ersten Adressen für gediegenes Tafel in der Region etabliert – kein Wunder, tauchten die Deltapark-Restaurants schon öfters in diesen Seiten auf. Auch das Wiener Schnitzel führt diese Tradition weiter. Die Panade bläht sich wie ein Daunenkissen – ein Zeichen dafür, dass das Schnitzel nicht in der Pfanne vergessen, sondern konstant bewegt, begossen und gewiegt wurde wie ein speziell anspruchsvoller Säugling. Auch bei den Beilagen geht der Deltapark die klassische Route – in Österreich wird zum Wiener Schnitzel nämlich klassisch Kartoffel- oder Gurkensalat serviert. Das reichhaltige Gericht harmoniert ausgezeichnet mit Säure und Frische, weswegen Preiselbeeren immer eine willkommene Beilage sind; zum Glück gibt es die auch hier. Daneben das Beste aus beiden Welten – knusprige Frites und ein erfrischender Gurkensalat!
Preis CHF 45.-
Kontakt
Deltaweg 29, 3645 Gwatt
Tel. 033 334 30 30
www.deltapark.ch
«Das reichhaltige Gericht harmoniert ausgezeichnet mit Säure
und Frische.»
Victoria-Jungfrau, Interlaken
Die imposante Fassade des Grand Hotel & Spa Victoria-Jungfrau in Interlaken verweist deutlich auf die hohe Zeit der Schweizer Hotellerie, in der sie ihren Weltruf begründete. Kulinarisch macht das Victoria-Jungfrau schon seit einigen Jahren Furore mit seinem starken Fokus auf lokale Produkte und Produzenten – in dieser Hinsicht wird im Herbst 2022 mit der Eröffnung des Restaurants Radius by Stefan Beer ein neues Kapitel aufgeschlagen. Ein Besuch in der Brasserie La Terrasse lohnt sich allerdings schon jetzt, nicht zuletzt wegen des Wiener Schnitzels. Wie alles im Victoria-Jungfrau wurde es mit viel Liebe zum Detail zubereitet – das zeigt sich schon an den Salzkristallen, die einem von der rustikal gewürzten Panade entgegenschimmern und die für ein zusätzliches Knack- erlebnis sorgen. Die Preiselbeeren dazu waren die besten, die uns während dieses Tests begegnet sind, und die Waffel-Frites sind ein echter Geheimtipp!Preis: CHF 49.–
Kontakt
Höheweg 41, 3800 Interlaken
Tel. 033 828 28 28
www.victoria-jungfrau.ch
«Wie alles im Victoria-Jungfrau wurde es mit viel Liebe zum Detail zubereitet.»
Alpenblick, Wilderswil
Das Hotel Restaurant Alpenblick in Wilderswil oberhalb von Interlaken ist ein Traditionshaus, und das in mehrfacher Hinsicht – nicht genug damit, dass Richard und Yvonne Stöckli hier schon seit über 40 Jahren Gäste verwöhnen, das Gebäude selbst ist über 400 Jahre alt. Nicht von vorvorgestern ist allerdings die Küche im Alpenblick; ein Blick auf die Karte zeigt, dass man hier dem zeitlosen Genuss frönt. Auch das Wiener Schnitzel reiht sich in diese Klassikerparade ein. Die Panade schlägt dermassen fröhlich Wellen, dass das grosszügig dimensionierte Schnitzel aussieht wie eine Reliefkarte der Berner Alpen – das lädt dazu ein, noch etwas Zitronensaft darüberzuträufeln. Ganz in der klassischen, österreichischen Tradition gibts hier einen Kartoffelsalat mit Nüsslerzugabe als Beilage; pardon: Erdäpfel-Vogerlsalat heisst das natürlich. Wie sagt der «Guide Michelin» doch so trefflich? «Eine Küche voller Finesse – einen Stopp wert!»
Preis CHF 43.-
Kontakt
Oberdorfstrasse 3, 3812 Wilderswil
Tel. 033 828 35 50
www.hotel-alpenblick.ch
«Ein Blick auf die Karte zeigt,
dass man hier dem zeitlosen Genuss frönt.»
Seeblick, Faulensee
Nomen est omen – das Seeblick liegt gleich am Thunersee. Wenn Sie noch näher ans Wasser möchten, müssen Sie also schon das Schiff nehmen. Das Lokal ist so angelegt, dass man von den allermeisten Plätzen den Blick über das Wasser schweifen lassen kann. Bei schönem Wetter bietet sich auch die grosszügige Terrasse an, die wir nur empfehlen können. Auch zu empfehlen: ein gepflegter Schnipo-Teller. Die Frites sind hier rustikal gehalten, das heisst, sie wurden nicht obsessiv geschält und haben meistens noch etwas Schale. Dort befinden sich bekanntlich die meisten Vitamine der Kartoffel – und diese Zubereitungsart macht auch optisch etwas her. Nicht nur optisch etwas her macht das Schnitzel. Das sieht zwar auch gut aus, ist aber vor allem innen zart und aussen schön knusprig – comme il faut.Preis: CHF 39.–
Kontakt
Interlakenstrasse 81, 3705 Faulensee
Tel. 033 655 60 80
www.seeblick.ch
«Wenn Sie noch näher ans Wasser möchten, müssen Sie also schon das Schiff nehmen.»
Militärgarten, Thun
Der Militärgarten in Thun ist eine richtig schöne Beiz alter Schule, wie man sie leider immer weniger findet. Von der wunderbar altmodischen Einrichtung bis hin zum wunderbar freundlichen Service hat man hier die guten Aspekte der guten alten Zeit in die Moderne hinübergerettet. Das gastfreundliche Lokal steht selbstverständlich auch all jenen offen, die mit dem Militär an sich nichts am Hut haben, sich aber für gute Küche in grosszügigen Portionen zu günstigen Preisen begeistern können. Bei warmem Wetter unbedingt empfehlenswert ist der Garten-Teil des Militärgartens – was gibt es Schöneres, als sich draussen unter dem Sonnenschirm ein kühles Bierchen zu genehmigen? Klar doch: ein Schnitzel dazu! Oder gleich zwei mit ordentlich Pommes frites und einer grosszügigen Portion Gemüse für den knackigen Kontrast.
Preis CHF 39.50
Kontakt
Kasernenstrasse 45, 3600 Thun
Tel. 033 222 20 68
www.militaergarten-thun.ch
«Das gastfreundliche Lokal steht selbstverständlich auch all jenen offen, die mit dem Militär an sich nichts am Hut haben.»
Onkel Thoms Schnitzelscheune, Wimmis
Wiener Schnitzel gibt es überall, aber wer Schnitzel wirklich liebt, kommt kaum umhin, nach Wimmis zum Altar des wahren Schnitzels zu pilgern. Heike und Thom von der Schnitzelscheune gleich gegenüber der Haltestelle Brodhüsi haben sich mit Haut und Haar dem Schnitzel und allem, was dazugehört, verschrieben und walten hier ihres hohen Amtes. Die Variationen sind nahezu unendlich; vom Schnitzelfetzen für den kleinen Hunger über meterlange Schnitzel für Firmen- und Familienanlässe (für die übrigens eigens für die Schnitzelscheune eine Langfritteuse konstruiert wurde) ist alles zu haben, und das in fünf verschiedenen Panaden: klassisch, scharf, «crispy» (mit Cornflakes), Kräuter und Sesam – insbesondere die Sesam-Panade ist eine köstliche Innovation des klassischen Rezepts. Dazu gereicht werden hausgemachte Saucen, und die sind wirklich ausgezeichnet. Lassen Sie sich auf jeden Fall etwas von der spektakulären Knoblauchmayonnaise mitgeben, «für den Hund» oder so …Preis: ab CHF 27.-
Kontakt
Simmentalstrasse 22, 3752 Wimmis
Tel. 033 657 13 48
www.schnitzelscheune.ch
«Die Variationen sind nahezu unendlich.»
Gaststube im Tempel, Thun-Allmendingen
Die Gaststube im Tempel ist ein Treffpunkt für alle, die gerne gut essen und Wert auf ein schönes und geschmackvolles Ambiente legen. Die Gaststube befindet sich im grössten Holzbau der Schweiz, und es ist nicht nur rustikal und gemütlich, sondern auch ausgesprochen gediegen. Spezialität ist hier die österreichische Küche, jedoch finden wir für jeden Geschmack mit frischen Produkten aus der Region und jedes Budget etwas. Das original Wiener Schnitzel mit Pommes frites und Preiselbeeren ist auf der Speisekarte als Gaststuben-Klassiker aufgeführt und kann als gross oder klein bestellt werden. Wir entscheiden uns für die kleinere Variante und werden nicht enttäuscht, die Wiener Panade schmeckt herrlich, und das Kalbfleisch ist butterzart. Auch die Preiselbeerensauce ist eine Gaumenfreude. Ein Hit ist ebenfalls die grosse Terrasse mit Aussicht auf die Berner Oberländer Bergkette und die gelebte herzliche Gastfreundschaft.
Preis CHF 37.50 / CHF 45.50
Kontakt
Tempelstrasse 20, 3608 Thun-Allmendingen
Tel. 033 335 05 10
www.gaststubeimtempel.ch
«Spezialität ist hier österreichische Küche.»