Flotte Fahrt mit Blick auf Jungfrau & Co.

Flotte Fahrt mit Blick auf Jungfrau & Co.

Flotte Fahrt mit Blick auf Jungfrau & Co.

Thun – Bern auf der Aare: der Klassiker unter den Schweizer Gummibootstrecken. An heissen Sommertagen treiben Hunderte Boote die Aare hinab. Flussaufwärts bietet sich dem Auge eine einzigartige Parade der berühmten Berner Alpengipfel.

Text: Iwona Eberle  |  Fotos: Christoph Hurni

Beim Einstieg neben dem Restaurant Bellevue in Thun-Schwäbis gehts oft zu wie auf einer Chilbi. Zwischen Dutzenden Booten packen Bötler ihre Siebensachen in wasserdichte Säcke oder Plastikfässer, andere sind am Aufpumpen, junge Männer verkaufen Glace und Getränke. Vor der Rampe ins Wasser steht man Schlange. Allerdings nicht lange. Denn kaum ist ein Boot im Wasser, trägt die Strömung es rasch weg.

Die Ufer sind dicht grün bewachsen und lassen einen komplett vergessen, dass man durch dicht besiedeltes Gebiet fährt. Bei jeder Flussbiegung wechseln sich die Berge im Hintergrund nun ab. Als erste zeigen sich die drei schneebedeckten Gipfel der Blümlisalp, der Polo Hofer mit seinem Schmachtfetzen «Alperose» ein Denkmal setzte. Über eine breite Betontreppe mündet von rechts die Zulg (km 1,9) in die Aare. Sie trägt Wasser aus dem Gebiet der Sieben Hengste in den Emmentaler Alpen herunter. Sie ist es übrigens auch, die der Aare nach Gewittern einen grossen Teil ihrer braunen Verfärbung verpasst. 

Nun geht es lange geradeaus, bis über dem rechten Ufer eine hohe Felswand erscheint, das Wasser wird unruhig. Es scheint, als wolle einen die Aare auf ihre berühmtberüchtigtste Stelle einstimmen: die Uttiger Welle. Sie liegt am Ende einer langgezogenen Linkskurve unter der Eisenbahnbrücke Uttigen (km 5,1). Grosse Felsen in der Flussmitte bilden unter der Wasseroberfläche eine Schwelle. Kein Rauschen kündigt das spritzige Abenteuer an, das bevorsteht. Dafür das Jauchzen und Kreischen der Bötler, die vorher über die «Uttiger Welle» reiten. Bei allem Spass ist Vorsicht geboten: Starke Walzen können Schwimmende sogar mit Rettungsweste unter Wasser ziehen. Das Boot gleichmässig belasten und mit Paddelschlägen gerade durchsteuern. Kehrwasser im Uferbereich erleichtern das Anlanden, um das Boot nötigenfalls auszuleeren.

Eindrückliche Nagelfluhwände säumen nun das linke Ufer. Wie Lianen hängen Efeustränge über sie herab, ein bisschen Urwald im Mittelland. Im Hintergrund dominieren die Berner Voralpen mit Niesen und Stockhorn. Nach der Jabergbrücke (km 8,0) stösst von rechts die Autobahn zur Aare. Ihr Rauschen wird uns für die nächsten 10 Kilometer begleiten.

Nach einigem Gondeln zwischen grünen Ufern präsentiert sich linkerhand der stattliche Landgasthof Thalgut (km 10,1) direkt an der Aare. Flussabwärts in der Ferne sehen wir den Sendeturm auf dem Bantiger. Nun folgen die auf dem Abschnitt Thun–Bern typischen Betonbuhnen, im Volksmund «Sporen» genannt. Die rechtwinklig von rechts in die Aare ragenden Flussverbauungen wurden im 19. Jahrhundert errichtet, um die Fliessgeschwindigkeit am Kanalufer zu verkleinern, damit dieses nicht einbricht. Seit den 1940er-Jahren sind sie betoniert. Bei schönem Wetter räkeln sich Sonnenanbeter darauf, und Rauchschwaden von Grillfeuern steigen auf. Am linken Ufer ziehen die Hänge des Belpbergs vorbei. Gleich nach der Schützenfahrbrücke (km 14,0) mit ihren tückischen dünnen Pfeilern folgt rechts die Badi Münsingen (km 14,0). Das Anlegen ist verboten, weil besonders ältere Schwimmende in Panik geraten können, wenn sie wegen Booten am Ufer den Fluss nicht mehr verlassen können.

Das Jauchzen und Kreischen der Bötler kündigt das spritzige Abenteuer an.

Hier beginnt der rund 9 Kilometer lange Belper Giessen, der zu den grössten verbliebenen Auenlandschaften der Schweiz zählt. Auf diesem Abschnitt wird die Aare immer mehr aus ihrem Korsett befreit. Bei der Hunzigenau (km 15,6–16,5) sind am rechten Ufer ausserdem neue Seitenarme ausgebaggert worden. Sie können bei normalem Abfluss befahren werden. Vorsicht vor Totholz und Untiefen. Unmittelbar nach einer Insel vor der Hunzigenbrügg (km 16,6) steht am linken Ufer das Restaurant Campagna mit seinem grossen Tipi. 

Der folgende rechte Seitenarm von Raintalau-Flühli (km 17,4–18,5) darf nicht befahren werden. Wir nähern uns der gedeckten Auguetbrügg (km 20,9) beim Flug- hafen Belpmoos. Genügend Abstand zu den eng stehenden Pfeilern halten. Ab hier säumen wildromantisch hohe Bäume das Ufer, und viele schöne Plätzchen laden zum Rasten und Grillieren ein. 

Nach dem Muribad (km 21,7) am rechten Ufer folgen vor Bern noch ein paar hübsche Flussschlaufen. In einer Rechtsbiegung liegt rechts das «Fähribeizli» mit der Seilfähre Bodenacker (km 23,6). Linkerhand folgt die Wiese beim Camping Eichholz (km 25,1–25,6), wo an Sommerabenden meist Partys im Gang sind. Kurz darauf zieht rechts der Tierpark Dählhölzli (km 25,8) vorbei, Steinböcke schauen von ihren Felsen auf das Treiben auf der Aare hinunter. 

Hier beginnt eine der wohl bestbesuchten Schwimmstrecken der Schweiz. Zu Hunderten laufen Schwimmerinnen und Schwimmer jeden Alters den Fussweg zwischen Marzili und Eichholz hoch, um sich von dort die Aare hinuntertreiben zu lassen – und plötzlich fährt man zwischen unzähligen Köpfen. Der Schönausteg (km 26,1) ist beliebt bei Brückenspringern. Wir halten uns ans linke Ufer und booten unter der hohen Monbijoubrücke (km 26,7) kurz vor dem Marzilibad aus. Eine letzte Ausstiegsmöglichkeit vor dem Schwellenmätteli-Wehr folgt wenig später am Ende der Holzwand des Marzilibads. Das «Marzili», das aus dem Jahr 1782 stammt, ist im Sommer einer der beliebtesten Treffpunkte Berns und trumpft mit einem prächtigen Blick auf das Bundeshaus.

Informationen zur Tour

Dauer 
3–4 Stunden

Ein- und ausstieg
Thun-Schwäbis: neben Restaurant Rossgagupintli-Bellevue; öV: Station Schwäbis (Halt auf Verlangen) oder Bushaltestelle Steffisburg, Schwäbis; Parkplatz: Uttigenstrasse 9 

Bern: unter Monbijoubrücke links; öV: Marzili-Bähnli und Bahnhof Bern; Parkplatz: Casinoparkplatz (Kochergasse 1) 

Sicherheit
Starke Strömung: Rettungswesten besonders empfehlenswert, auch wegen Wasserwalzen in «Uttiger Welle». Starke Paddel empfehlenswert. Strecke nicht nach Regenfällen befahren. Schwellenmätteli-Wehr: Ausstieg links unter Monbijoubrücke nicht verpassen. Frühzeitig dem linken Ufer entlang fahren. 

Baden
Für geübte Schwimmende grundsätzlich gut geeignet, starke Strömung. Meiden: Bereich «Uttiger Welle». Siehe auch Aare-­Karte der Schweizerischen Lebensrettungsgesellschaft SLRG unter www.slrg.ch

Buchtipp

Gummibootführer Schweiz

Autor: Iwona Eberle
248 Seiten, 14,3 x 21,4 cm, gebunden, Softcover
mit 262 Abbildungen.
ISBN 978-3-85932-742-9, CHF 39.90 / EUR 39.90

Buch bestellen

Hinterlassen Sie einen Kommentar

* Erforderlich